Donnerstag, 28. April 2016

Egoismen - Kommunitarismen - Fantasmen: Anmerkungen zum Antragsbuch 2 für den AfD-Programmparteitag



Der Titel versucht zu umreißen, was ich hinter den wohl über 1.000 Anträgen (die man über diese Webseite der Bundes-AfD einsehen kann) verorte:
  • Gelegentlich lässt sich ahnen, dass ganz spezielle persönliche materielle Interessen hinter einem Antrag stecken. Das ist freilich im Programmentwurf nicht anders: Hinter den Forderungen nach Überprüfung der Gewerbesteuer (mit dem Ziel der Abschaffung, nach Abschaffung der Erbschaftssteuer und Wiederherstellung des Bankgeheimnisses (gegenüber dem Finanzamt) stecken ganz offenkundig die Interessen von "Steuersparern", die zwar nichts gegen die generösen Forderungen der AfD nach Ausgabensteigerungen für Militär, Familie und andere Bereiche haben, die sich aber beim Bezahlen dieser Wohltaten einen schlanken Fuß machen möchten: Egoismen (Partikularinteressen). (Immerhin haben Programmkommission und AfD-Bundesvorstand die dreistesten Selbstbedienungs-Angriffe auf den Leitantrag schon im Vorfeld abgewehrt.)
  • Dem stehen zahlreiche andere Anträge gegenüber, bei denen es den Antragstellern erkennbar um das Wohl unseres Landes insgesamt, und teilweise auch um die wohlverstandenen Interessen der AfD (unser Ansehen und unsere Erfolgschancen bei den Wählern) geht: Kommunitarismen (diesen Ausdruck gibt es so nicht; den habe ich jetzt zur Angleichung an die beiden anderen Begriffe gebildet; gemeint ist: Gemeinwohlorientierung).
  • Schließlich gibt es auch mehr oder weniger spinnerte Vorschläge, die sich beispielsweise mit Chemtrails befassen oder mal eben 1.200,- € Grundrente fordern, nach dem Motto: "Was kostet die Welt?" (dieser geniale Einfall kam sogar einem Bezirksvorstand: S. 409. Aus NRW: Die Düsseldorfer haben sich wohl zu oft auf "alternativen Wissenskongressen" herumgetrieben? S. a. unten zu S. 409): Fantasmen.

Sehr vieles,
  • was mich nicht interessierte, 
  •  wo ich mich nicht für hinreichend sachkundig halte,  
  •  was mir zu kompliziert ist, um es auf die Schnelle zu beurteilen 
  •  oder wo Forderungen zu verschiedenen Programmpunkten in einem einzigen Antrag zusammengefasst wurden (wie z. B. auch S. 1345 - 1380 und S. 1381 - 1425: Manches davon mag durchaus sinnvoll sein; bei einer Beschlussfassung dazu müsste aber jeder einzelne Punkt debattiert und entschieden werden; dazu fehlt uns einfach die Zeit.) 
habe ich lediglich überflogen bzw. angelesen, oder kurzerhand gleich übersprungen.
Dennoch war es eine Heidenarbeit, die 1.425 Seiten in kurzer Zeit durchzuackern.

Meine persönlichen Änderungswünsche (die ich mangels Unterstützern nicht einbringen konnte) hatte ich bereits früher in dem Blott "Änderungsvorschläge und Anmerkungen zum AfD-Grundsatzprogramm") präsentiert.
 
Meine Auseinandersetzung mit dem Antragsbuch 1 () habe ich in dem Blott "Antragsbuch 1 zum Stuttgarter Programmparteitag: Es hat noch nicht mal weh getan!" niedergelegt.
 
Und schließlich noch meine Einfälle zur "Einbeziehung der Parteimitglieder in Programmprozesse: Verbesserungsmöglichkeiten am Beispiel der AfD", die insbesondere meine alte Forderung nach einem parteiinternen Diskussionsforum erneuern.

Allgemeine Überlegungen zum Programm und zum Programmprozess

Dateitechnische Überlegung:

Statt als pdf-Datei hätte das Antragsbuch vielleicht besser als Word-Datei in Tabellenform angelegt werden sollen. Dann wäre es möglich gewesen, die Daten problemlos für die jeweils gewünschte Analyse umzugruppieren: Nach Namen, ID-Nr., Antragsart-Nr. und Kapitel (bzw., bei einer - wünschenswert - verfeinerten Eingabemaske für die ursprünglichen Anträge, sogar nach Unterkapitel) sowie nach Bezugsseite im Programmentwurf.
Ich denke, eine solche Darstellung hätte uns den Überblick sehr erleichtert.

Antragstechnische Überlegungen zu unserem Stuttgarter Programmparteitag:

Unter Berücksichtigung der kurzen Zeit (2 Tage), die den (wie man gerüchteweise hört) voraussichtlich 2.000 Teilnehmern des Parteitages für die Debatte zur Verfügung steht, enthalten die Anträge eine Menge Pipifax. Für sich genommen ist vieles bestimmt berechtigt (z. B. Korrektur von Schreibfehlern usw.). Aber wenn man den Sachverhalt unter diesem verfahrenstechnischen Gesichtspunkt betrachtet, dann kann ich nur jeden Antragsteller bitten sich zu überlegen, ob nicht vielleicht doch einige Anträge entbehrlich ist.
 
Generell irritiert es, dass viele Antragsteller eine Begründung für überflüssig haben. Zwar sind die Anträge häufig selbsterklärend oder der Sinn und die Zielrichtung sind ohne allzu große gedankliche Mühe zu erschließen.
Aber als Adressat, der für den Änderungsantrags stimmen soll, erwarte ich einfach, dass ein Antragsteller sich bitte auch die Mühe macht, für seinen Antrag zu werben. Und ihn nicht einfach den Parteitagsteilnehmern gewissermaßen "vor den Latz knallt".
(Speziell bei den zahlreichen Anträgen von Uwe Junge, Landesvorsitzender RLP, fällt mir das generelle Fehlen von Begründungen negativ auf. Da habe ich wirklich weder die Zeit noch Lust, mich jeweils tief in die Materie hineinzudenken, um über die Implikationen der beantragten Änderungen zu rätseln.)
Inakzeptabel ist auch der Hinweis, dass die Begründung mündlich erfolgen soll: Dafür haben wir schlicht keine Zeit!

Weiterhin ist es eine Zumutung gegenüber denjenigen, die sich die Mühe machen, das Antragsbuch durchzuarbeiten, wenn Anträge doppelt gestellt werden. Hier tut sich der Kreisverband Teltow-Fläming unrühmlich hervor (Martina Leisten und Birgit Bessin; ein Beispiel für viele: Antrag S. 444 identisch mit Antrag S. 447; auf 450 + 451 sogar zwei identische Anträge von Martina Leisten; aber auch Potsdam-Mittelmark und LV Brandenburg, z. B. S. 1154 + S. 1162).
Ebenso kropfüberflüssig sind Anträge, bereits gestellte Anträge anderer Antragsteller zu unterstützen.

Sehr viele Änderungs- bzw. Ergänzungsanträge wurden von einem relativ kleinen Personenkreis erstellt.
Einerseits ist der Eifer löblich, und sicherlich sind vom Grundsatz hier viele selbst nur stilistische Verbesserungen durchaus sinnvoll.
Nur, andererseits: Bei Berücksichtigung unserer knappen Zeit ist das eine Zumutung für die Parteifreunde; unter diesem Gesichtspunkt hätte man sich gewünscht, dass sich die Antragsteller auf wirklich wichtige Punkte beschränkt hätten.
 
Mein (ziemlich brutaler) Kahlschlag-Vorschlag daher:
  • Alle Antragsteller mit mehr als 5 Anträgen werden aufgefordert, diejenigen 5 herauszusuchen, die ihnen besonders wichtig sind, und alle anderen zurückzuziehen.
  • Will jemand das nicht, wird darüber abgestimmt, sämtliche Anträge dieses Antragstellers (bzw. dieser Antragstellerin) pauschal abzulehnen. Allerdings mit der Maßgabe, dass es der Programmkommission freigestellt bleibt, Anträge auch aus diesen (unfreiwillig) zurückgezogenen oder en bloc abgelehnten einzubringen. (Nicht wenige Anträge korrigieren Schreib- oder grammatische Fehler oder verbessern Formulierungen. Insoweit darf die formale Klippe kein Hindernis sein, wenn z. B. 10 solcher Anträge von ein und derselben Person gestellt wurden.)
Dieses Zusammenstreichen der Anträge ist natürlich nicht besonders nett. Aber für mich die einzige Möglichkeit, uns in Stuttgart über Wasser zu halten und wirklich substantielle Teile des Programms, vielleicht sogar das ganze Programm, zu verabschieden.
 
Auf 32 Vielbeantrager (über 5 Anträge) entfallen ca. 650 Anträge = ca. 20 pro Kopf.
Hier die Namen in alphabetischer Reihenfolge (da ich nicht von Anfang an auf dieses Merkmal geachtet habe, dürfte die Liste unvollständig sein. Die Zahlen habe ich über eine rasche Zählung der pdf-Treffer ermittelt; schließe daher nicht aus, dass ich gelegentlich um 1 oder 2 danebenliege):

1. Bausemer, Arno (ca. 8)
2. Bessin, Birgit (ca. 28)
3. Bretschneider, Jörg (ca. 103) ("Gold" ;-) )
4. Curio, Gottfried (ca. 9)
5. Dachauer, Maximilian (ca. 43) ("Bronze" ;-) )
6. Deckert, Siegfried (ca. 15)
7. Fuchs, Markus (ca. 9)
8. Hartdorf, Ines (ca. 9)
9. Heyder, Gerhard (ca. 8)
10. Jahn, Christopher (ca. 7)
11. Jongen, Marc (ca. 9)
12. Junge, Uwe (ca. 36)
13. Kempkes, Wolfgang (ca. 20)
14. Kotré, Steffen (ca. 23)
15. Kuhs, Lukas (ca. 7)
16. Leisten, Martina (ca. 25)
17. Mader, Kai (ca. 20)
18. Matzke, Thomas (ca. 20)
19. Möller, Wilko (ca. 10)
20. Neymeyr, Ulrich (ca. 25)
21. Pastewsky, Jürgen (ca. 14)
22. Robinson, Sandra (ca. 75) ("Silber" ;-) )
23. Schmidt, Roger (ca. 9)
24. Schulz, Jürgen (ca. 10)
25. Spangenberg, Detlev (ca. 8)
26. Tillschneider, Hans-Thomas (ca. 12)
27. Tritschler, Sven (Anträge der Jungen Alternative -JA-; ca. 23)
28. Uhlig, Manuel (ca. 9)
29. Wappler, Uwe (ca. 9)
30. Weber, Jürgen (ca. 17)
31. Wiehle, Wolfgang (ca. 16)
32. Würdig, Peter (ca. 10)
 
 

Anmerkungen zu ausgewählten Anträgen bzw. Programmpunkten

 
Vorbemerkung:
Angesichts der Kürze der Zeit sind meine Überlegungen nicht durchgängig systematisiert. Insbesondere konnte ich nicht alle Anträge zu bestimmten Punkten erfassen und berücksichtigen; die nachfolgende Besprechung einzelner Anträge schließt daher nicht aus, dass es weitere geben mag, die hier unerwähnt bleiben.
 
 
S. 65 (LT91, Peter Würdig / KV Cuxhaven) (Kontrolle der Judikative durch die Legislative)
 
Antragstext:
"Der Bundesparteitag möge beschließen, nach dem Abschnitt 1.3 einen Abschnitt 1.3.1 einzufügen: 1.3.1 Wiederherstellung der Gewaltenteilung Die AfD fordert, dass eine Bestimmung in das Grundgesetz aufgenommen wird, dass Entscheidungen der höheren Gerichte durch eine qualifizierte Mehrheit des Bundestages aufgehoben werden können."
 
Aus der Begründung:
"Das Prinzip der Gewaltenteilung ..... ist in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter ausgehöhlt worden, in dem sich die höheren Gerichte anmaßen, nun selbst Gesetzgeber zu spielen und Gesetze zu „kippen“ weil diese angeblich gegen andere Gesetze verstießen. Diese Kipperei hat immer groteskere Formen angenommen, und sie ist geeignet, das Grundprinzip der Demokratie, alle Gewalt geht vom Volke aus, auszuhebeln. ..... Beispiele für solch miese Urteile fern jeder praktischen Lebenserfahrung sind etwa das Kopftuchurteil oder auch das Stand: 15. April 2016 Antragsbuch – BPT Stuttgart Anträge zum „Leitantrag Programm“  Urteil zum Betreuungsgeld und andere. Auch das Bundessozialgericht hat sich ungut betätigt und durch seine „Rechtsprechung“ die Anreize zum Missbrauch des Asylrechts noch ausgeweitet. Nun kann man immer im Zweifel sein, ob eine Entscheidung mehr rechtlichen oder mehr politischen Charakter hat. Wenn das aber so ist, dann muss eine letzte Entscheidung von dem Gremium getroffen werden, das vom Volk für gesetzliche Entscheidungen eingesetzt ist, und das ist der Bundestag."
 
Das ist eine originelle Überlegung, die auch mich persönlich schon seit längerem umtreibt (bei Facebook spreche ich des Öfteren von "Verfassungsverhütern").
Freilich steht diese (für mich unbedingt sinnvolle) Forderung in einem Spannungsverhältnis zu der Forderung im Programmentwurf Ziff. 3.2 (S. 17 Z. 15/16) "Die Unabhängigkeit der dritten Gewalt muss durch eine Selbstverwaltung der Justiz ausgebaut werden, wie es in vielen anderen europäischen Ländern bereits üblich ist".
Da der Antrag, wie aus den Beispielen ersichtlich, auch eine Kontrolle der Verfassungsgerichtsrechtsprechung vorsieht, müsste für diese Fälle selbstverständlich eine 2/3-Mehrheit des Bundestages gefordert werden.
 
 
S. 71 (LT117, Wolfgang Wiehle / KV München-Süd) (AfD gegen Steuerhinterziehung)
Gefordert wird eine Ergänzung der Passage S. 9, Z. 2-4, um den hier durch Großbuchstaben gekennzeichnete Wort:
"Während Steuerhinterziehung auch vergleichsweise kleiner Beträge in Deutschland RICHTIGERWEISE konsequent verfolgt und bestraft wird, bleibt die – ebenso gemeinwohlschädigende – Steuerverschwendung straffrei."
Ich halte es für richtig und wichtig, dass sich die AfD eindeutig gegen Steuerhinterziehung (und Steuerhinterzieher) positioniert.
Freilich befürchte ich, dass diejenigen Kräfte in unserer Partei, die das "BANK‐ UND STEUERGEHEIMNIS WIEDERHERSTELLEN" wollen (S. 58, Ziff. 11.7 Leitantrag = Programmentwurf) anderer Meinung sind: "Der Bürger darf nicht zum gläsernen Untertanen werden" heißt es dort pathetisch. Dass der Arbeitnehmer, für den der Arbeitgeber die Lohnsteuer abführt, schon längst ein "gläserner Bürger" ist, und ebenso der Rentner (dessen Rente dem Finanzamt automatisch mitgeteilt wird) stört diese Kreise natürlich weniger: Hauptsache, dass man selber Geld am Finanzamt vorbei verdienen kann.
 
 
S. 74 (LT155, Uwe Junge / LV Rheinland-Pfalz) (zwingende Volksabstimmungen bei GG-Änderungen nur im Kernbereich)
 
Aktuell lautet der Vorschlag Ziff. 1.1.1 (S. 3, Z. 31/32): "Ohne Zustimmung des Volkes darf das Grundgesetz nicht geändert und kein bedeutsamer völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden."
Junge will das auf den KERNBEREICH des GG beschränken und fordert außerdem eine 2/3-Mehrheit. Beides halte ich für vernünftig.
 
 
S. 78 (LT166, Uwe Junge / LV Rheinland-Pfalz) (Streichung einer sinnfreien Passage)
 
Antragstext:
"Der Bundesparteitag möge beschließen, die Passage "Das Gleiche gilt für parteipolitische Netzwerke, welche über persönliche Beziehungen der Amts- und Funktionsträger die wechselseitige Machtkontrolle der Gewalten vereiteln." zu streichen."
 
Die einschlägige Programmpassage (S. 5, Ziff. 1.3) lautet (meine Hervorhebung):
"Der Staat Bundesrepublik Deutschland ist nach der deutschen Verfassungstradition ..... als Rechtsstaat mit Gewaltenteilung angelegt. ..... Es geht dabei im Kern um die wechselseitige Kontrolle der legislativen, exekutiven und judikativen Funktionen eines Staates. Ihr Ziel ist es, überbordende unkontrollierte Ausübung von Staatsgewalt zu verhindern. Minister als Abgeordnete in Parlamenten, welche die Exekutive kontrollieren sollen, und ehemalige Politiker auf Richterstühlen sind mit dem urdemokratischen Konstruktionsprinzip der Gewaltenteilung nicht vereinbar. Das Gleiche gilt für parteipolitische Netzwerke, welche über persönliche Beziehungen der Amts‐ und Funktionsträger die wechselseitige Machtkontrolle der Gewalten vereiteln."
Es ist klar (oder sollte zumindest jedem klar sein, der auch nur ein klein wenig juristisch denken gelernt hat), dass solche "Netzwerke" nicht justiziabel sind: Wie will man sie genau definieren, was will, bzw. könnte, man konkret untersagen?
Diese Passage ist heiße Luft, deren Abschaffung Uwe Junge völlig zu Recht fordert. 
 
 
S. 79 (LT179, Uwe Junge / LV Rheinland-Pfalz) (Streichung der Passage gegen die Förderung von Fraktions- und Abgeordnetentätigkeit sowie von Parteistiftungen mit staatlichen Mitteln)
 
Antragstext:
"Der Bundesparteitag möge beschließen, den Abschnitt
'Diese betrugen im Jahr 2015 159,2 Millionen Euro. Zusätzlich haben die Abgeordneten der Parlamente Ansprüche auf Mitarbeiterpauschalen, zum Beispiel jeder Bundestagsabgeordnete auf 20.000 Euro pro Monat. In 2015 bedeutet dies allein für den Bundestag jährliche Kosten in Höhe von 172 Millionen für cirka 7.000 Mitarbeiter. Darüber hinaus werden ohne gesetzliche Grundlage den Fraktionen des Bundestages Finanzmittel zur Verfügung gestellt für sogenannte wissenschaftliche Beratung, in 2015 in Höhe von 83 Millionen Euro. Ohne direkten Zusammenhang zum Parteiengeschehen gibt es noch die juristische Konstruktion sogenannter parteinaher Stiftungen. Dabei handelt es sich um Vereine, die durch jährliche Direkt-Zuweisungen aus Mitteln des Bundeshaushaltes finanziert werden, im Jahr 2015 in der Grundförderung mit 95 Millionen Euro'
zu streichen."
 
Der gesamte Text (S. 5/6) lautet:
"1.5.1 PARTEIENFINANZIERUNG DEM VERFASSUNGSRECHT ANPASSEN
Die Parteienfinanzierung muss verfassungskonform auf einen angemessenen Umfang begrenzt werden. Bis 1959 gab es in der Bundesrepublik keine staatliche Finanzierung der Parteien. Ab 1959 wurde das Institut der sogenannten Wahlkampfkostenerstattung geschaffen. Inzwischen ist durch das Parteiengesetz ein Finanzierungssystem unter dem Begriff der “staatlichen Teilfinanzierung” entstanden. Danach haben die Parteien einen rechtlichen Anspruch auf jährliche wiederkehrende Zahlungen. Diese betrugen im Jahr 2015 159,2 Millionen Euro. Zusätzlich haben die Abgeordneten der Parlamente Ansprüche auf Mitarbeiterpauschalen, zum Beispiel jeder Bundestagsabgeordnete auf 20.000 Euro pro Monat. In 2015 bedeutet dies allein für den Bundestag jährliche Kosten in Höhe von 172 Millionen für cirka 7.000 Mitarbeiter. Darüber hinaus werden ohne gesetzliche Grundlage den Fraktionen des Bundestages Finanzmittel zur Verfügung gestellt für sogenannte wissenschaftliche Beratung, in 2015 in Höhe von 83 Millionen Euro. Ohne direkten Zusammenhang zum Parteiengeschehen gibt es noch die juristische Konstruktion sogenannter parteinaher Stiftungen. Dabei handelt es sich um Vereine, die durch jährliche Direkt‐Zuweisungen aus Mitteln des Bundeshaushaltes finanziert werden, im Jahr 2015 in der Grundförderung mit 95 Millionen Euro. Insgesamt handelt es sich bei dem derzeitigen System der Parteienfinanzierung um ein weitgehend verdecktes System, bei dem ein Vielfaches der Mittel den Parteien zufließt, welche im Parteiengesetz eigentlich als Höchstbetrag festgelegt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind sowohl die Form dieser Finanzierung wie die Höhe der fließen den Mittel als verfassungswidrig einzustufen. Die verdeckte Parteienfinanzierung ist gänzlich aus dem Ruder gelaufen und macht mittlerweile jährlich etwa 600 Millionen Euro aus, also das Vierfache der eigentlichen – verfassungsgerichtlich gedeckelten – Parteienfinanzierung. Die AfD will, dass die gesamte staatliche Parteienfinanzierung auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt wird. Oberster Maßstab für die Neuregelung ist eine transparente und summenmäßig begrenzte Zuschuss‐Finanzierung ausschließlich an die Parteien nach Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. ....."
 
Junge stößt sich offenbar - zu Recht - daran, dass hier die staatliche Unterstützung für die Arbeit der Abgeordneten und der Parteifraktionen in den Parlamenten kurzerhand unter "Parteienfinanzierung" subsumiert wird.
Da hat er völlig Recht; selbstverständlich hat das mit der Parteienfinanzierung rein gar nichts zu tun. Vielmehr ist die einschlägige Passage ein Beispiel für jenen realitätsblinden Populismus (Politiker- und Parteien-Bashing), der sich leider an einigen Stellen (vgl. auch Ziff. 1.5.4 S. 7/8) in den Programmentwurf eingeschlichen hat.
 
Vgl. dazu auch den Antrag S. 134, LT 583 von Kai Mader / KV Meißen, der (freilich nur) die Streichung des Satzes "Zusätzlich haben die Abgeordneten der Parlamente Ansprüche auf Mitarbeiterpauschalen, zum Beispiel jeder Bundestagsabgeordnete auf 20.000 Euro pro Monat" fordert. Mit der absolut zutreffenden Begründung (Auszug):
"Die umfangreiche Tätigkeit von Abgeordneten und Fraktionen in den Länderparlamenten oder dem Bundestag ist ohne Unterstützung von  Mitarbeitern / Beratern nicht zu bewältigen."  
 
 
S. 80 (LT171, Uwe Junge / LV Rheinland-Pfalz) (Streichung der Passage mit Forderung nach Amtszeitbegrenzung der Politiker)
 
Es ist nur folgerichtig, wenn Junge auch die Streichung eines Großteils der Ziff. 1.5.4 (S. 7/8) fordert.
Antragstext:
"Der Bundesparteitag möge beschließen, die Passage:
'Die sich fortsetzende Tendenz zum Berufspolitikertum hat der Monopolisierung der Macht Vorschub geleistet und die unübersehbare Kluft zwischen dem Volk und der sich herausgebildeten politischen Klasse vergrößert. Vetternwirtschaft, Filz, korruptionsfördernde Strukturen und verwerflicher Lobbyismus sind die Folge. Die Amtszeitbegrenzung von Mandatsträgern kann dieser gesellschaftsschädigenden Entwicklung entgegenwirken und das Machtmonopol der Parteien beschneiden. So können wir unser Ideal des Bürgerabgeordneten wieder herstellen. Konkret fordern wir eine Amtszeitbegrenzung für Abgeordnete auf zwei bis vier Legislaturperioden, in Abhängigkeit von deren persönlichen Wahlergebnis.'
zu streichen."
Auch in diesem Entwurfspassus hat sich ein inakzeptables Politikerbashing ausgetobt, das dem Volk, auf welches die AfD ansonsten doch setzt, offenbar keine vernünftige Entscheidung über die Amtsdauer von Mandatsträgern zutraut.
 
Ausführlicher dazu der Antrag S. 88, LT 322, von Thorsten Stange (und mehr als 49 weiteren Mitgliedern), der eine Streichung der gesamten Ziff. 1.5.4 fordert (bei Junge bleibt die Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler - S. 8, Z. 5/6 - ausgeklammert: "Für den Bundeskanzler schlagen wir eine Amtszeitbegrenzung auf zwei Legislaturperioden vor.").
Meine vollste Zustimmung findet die Begründung, die Stange für seinen Antrag liefert, und die ich deshalb hier vollumfänglich wiedergebe (Hervorhebungen von mir):
 
"Mit dem Einzug der AfD in das Europäische Parlament sowie die Landesparlamente üben auch AfD-Mitglieder den Beruf des Politikers aus. Den Beruf des Politikers kann man nicht erlernen, als Politiker wird man vom Souverän auf Zeit gewählt. Auch der Beruf des Politikers sollte wie jeder andere Beruf zuallererst objektiven und weniger subjektiven Kriterien unterliegen. Mit der Aufnahme des Begriffs des Berufspolitikertums in das Bundesparteiprogramm leistet die AfD der negativen Konnotation des Politikers Vorschub und erweist der Politikverdrossenheit in Deutschland einen Bärendienst. Die Kluft zwischen Volk und Politik ist nicht Ausdruck des Berufspolitikertums, sondern durch mangelnden politischen Wettbewerb gekennzeichnet. Statt den Beruf des Politikers schlecht zu reden, sollte sich die AfD aus meiner Sicht auf die Umsetzung der direkten Demokratie auf Bundesebene konzentrieren. Damit wäre einer „Monopolisierung der Macht“ am besten Einhalt geboten!  Gegen eine Amtszeitbegrenzung sprechen meines Erachtens folgende Gründe: 
  1. Die heutige Arbeitswelt erfordert eine immer stärkere Spezialisierung. Wie in jedem anderen Beruf gilt dies auch für den Beruf des Politikers. Dem Politiker muss Zeit eingeräumt werden, sich in die immer komplizierter werdenden Materien einzuarbeiten. Umso bedauerlicher wäre es, wenn ein engagierter und kompetenter Abgeordneter aufgrund der Amtszeitbegrenzung nicht mehr zur Wahl antreten dürfte. .....
  2. Eine Amtszeitbegrenzung wäre undifferenziert.
  3. Durch eine Amtszeitbegrenzung wird die Auswahl des Bürgers bei der Wahl verringert, weil bestimmte Politiker nicht mehr kandidieren dürfen. [Auch mein Argument - s. o.]
  4. Aufgrund der oben angesprochenen zunehmenden Komplexität und notwendigen Spezialisierung der Politiker, bestünde bei einer Amtszeitbegrenzung die Gefahr, dass der bereits heute hohe Einfluss der Ministerialbürokratie weiter zunimmt. Schon bislang spielen vor allem verbeamtete Mitarbeiter der Bundesministerien, allen voran der verbeamtete Staatssekretär und die Referats- und Abteilungsleiter eine entscheidende Rolle bei der Gesetzgebung und erfreuen sich höchster Beliebtheit bei den Lobbyisten. [Auch mein Argument; vgl. Blott "Änderungsvorschläge ..."]
  5. Ist eine Wiederwahl ausgeschlossen, so besteht auch keine Rechenschaftspflicht mehr.
  6. Ein erheblicher Teil der mit der Amtszeitbegrenzung erhofften Verbesserungen kann auch durch die Einführung wirksamer direkter Demokratie und durch ein verändertes Wahlrecht (z.B. veränderbare Parteilisten, Mehrmandatswahlkreise, Abwahlmöglichkeiten) erreicht werden.  Interessant ist ein Blick auf die tatsächlichen Verweildauern: Im Bundestag beträgt diese durchschnittlich 9,5 Jahre; im Bayerischen Landtag beispielsweise 10,8 Jahre (Stand: 07/2010)."
Eine Streichung der gesamten Ziff. 1.5.4 fordert auch Sven Tritschler für die Junge Alternative (S. 166, LT867). (Ausgezeichnete) Begründung: "Politik ist kein Job und auch keine Zwischenstation im Lebenslauf. Politiker zu sein, ist Berufung und Ideal. Ein herzloses Teilzeit-Politikertum ist nicht erstrebenswert. Es waren in der Geschichte Deutschlands immer wieder besondere Persönlichkeiten, die die Geschicke unseres Landes über längere Zeiträume geprägt haben. Einem ausgezeichneten Bundeskanzler die dritte Amtszeit zu verwehren, anstatt das Volk darüber entscheiden zu lassen, ist der falsche Weg. Wir setzen uns für weniger Gängelung der Bürger ein und nicht für mehr. ....."
 
Marc Jongen fordert im Ergebnis ebenfalls eine Gesamtstreichung von Ziff. 1.5.4, hat das antragsmäßig aber aufgeteilt in eine Forderung nach Aufhebung der Amtszeitbegrenzung (S. 156, LT 757) und der Verknüpfung Stimmenzahl + Abgeordnetenzahl (vgl. nachfolgend).
Hier zunächst seine Begründung für das Votum gegen die Amtszeitbegrenzung (meine Hervorhebung):
"Eine solche Regelung wäre dazu angetan, die großen Reformvorhaben der AfD völlig zu vereiteln. Um diese durchzusetzen, braucht es einen langen Atem und Parlamentarier mit viel Erfahrung. Kurzzeitabgeordnete ohne Erfahrung und ohne Dauerperspektive in der Politik wären ein leichtes Opfer des Lobbyismus und des ohnehin schon übermächtigen Berufsbeamtentums. Die Idee des Bürgerabgeordneten ist ein schönes Ideal, gehört aber eher ins romantische 19. Jahrhundert als in das hochprofessionalisierte 21. Jahrhundert. ..... Hinter Max Webers 'Politik als Beruf' (1919) sollten wir die Uhr nicht zurückdrehen wollen."
 
Eine Abschaffung der im Programmentwurf vorgesehenen Verknüpfung von Stimmenzahl und Abgeordnetenzahl wird auch vorgeschlagen in den Anträgen
  • S. 155, LT 749 (Marc Jongen / LV Baden-Württemberg) (Begründung: "Diese Forderung könnte, wenn umgesetzt, eine Delegitimierungsspirale des Parlamentarismus in Gang setzen, in der immer weniger Abgeordnete immer weniger Ansehen genießen, immer geringere Wahlbeteiligungen erzeugen, immer weniger Arbeit leisten (können) etc. Durch bewusste Wahlenthaltung könnte der Parlamentarismus gezielt sabotiert werden. Inzwischen würden in den verkleinerten Parlamenten trotzdem alle politischen Entscheidungen - von kleinen Cliquen - getroffen werden.") und
  • S. 171, LT 939 (Klaus Riedelsdorf / KV Brandenburg a. d. Havel, Begründung "Solange keine Wahlpflicht besteht, kann zu geringe Wahlbeteiligung nicht das Votum derer aufheben, die an der Wahl teilgenommen haben. .....")
 
Gedanklich gehört zum vorliegenden Zusammenhang auch der Antrag S. 131, LT 568, von  Kai Mader / KV Meißen:
"Antragstext: Der Bundesparteitag möge beschließen folgende Änderung vorzunehmen: Streichung des gesamten Satzes: 'Es hat sich eine politische Klasse von Berufspolitikern herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt.'
Antragsbegründung: Verallgemeinerung und Unterstellungen, die eine Anmaßung darstellt und an Beleidigung heranreichen. ....."
Auch dafür meine vollste Zustimmung und Unterstützung!
 
 
S. 82 (LT295, Steffen Kotré / LV Brandenburg) (Soziale - und weitere - Dimension/en in generalisierende Aussagen zur AfD-Programmatik aufnehmen)
 
Vorliegend geht es um die Passage S. $, Z. 17 - 19,
"Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung."
Hier haben zahlreiche Antragsteller das Fehlen weiterer Sachgebiete bemerkt, die zumindest bei einem modernen Staat zu den unverzichtbaren Aufgaben gehören, insbesondere
  • Bildung
  • Infrastruktur
  • und, ganz besonders, Soziales.
 Von den zahlreichen Anträgen zu diesem Punkt greife ich weiterhin beispielhaft heraus:
  • S. 92, LT341, Sandra Robinson / KV Potsdam-Mittelmark: "Der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland möge beschließen: Seite 4 Zeile 18 bis 19 zu ändern Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung. Wie folgt zu ändern: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen, Finanzverwaltung sowie die soziale Daseinsvorsorge."
  • S. 116, LT460, Uwe Wappler / LV Niedersachsen: "..... Der Staat hat sich verzettelt. Es bedarf neuer Konzentration auf die klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen,Finanzverwaltung und Aufsicht über wichtige Gesellschaftsbereiche, wie Daseinsvorsorge (Gesundheit, Rente), Bildung & Forschung, Infrastruktur, Finanzsektor, Verbraucher- , Tier- und Naturschutz. Aufgaben jenseits dieser Kerngebiete […]"     Interessant auch die Begründung dazu: "Der Redaktionsentwurf suggeriert, dass es nur diese 'vier klassische Staatsaufgaben gibt'. Das ist in der Fachliteratur nicht belegt. 'Theorien, die lediglich Schutz- und Sicherheitsfunktionen für gerechtfertigt halten, ignorieren die historische Entwicklung und gesellschaftliche Realität' (vgl. S128 Der moderne Staat: Grundlagen der politologischen Analyse von Arthur Benz)."
  • S. 76, LT 160, Uwe Junge: "[S. 4., Zeile 17 - 23] auf den Satz: 'Es bedarf neuer Konzentration auf klassische Gebiete staatlichen Handelns' zusammenzustreichen."
  • S. 125, LT511, Jürgen Weber / KV Reutlingen: "..... Seite 4: Die Zeilen 17-19 sind zu ändern/ergänzen : Bisher:  Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen u. Finanzverwaltung. Neu: Es bedarf stärkerer Konzentration auf klassische Gebiete, z.B. innere und äussere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Sozialpolitik. Ergänzend hierzu dann die ersatzlose Streichung der Zeile 20:  Aufgaben jenseits dieser vier Kernbereiche bedürfen besonderer Rechtfertigung“."
Meinerseits hätte ich eine komplette Streichung der beiden fragwürdigen Sätze für sinnvoller gehalten und zitiere hier aus meinem Blott "Änderungsvorschläge .....":
"Ich beantrage, die beiden Sätze
'Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung. Aufgaben jenseits dieser vier Kerngebiete bedürfen besonderer Rechtfertigung'
ersatzlos zu streichen.
Begründung:
1. Die Vorstellung eines Staates, der sich auf die o. a. vier Aufgabenbereiche beschränkt, transportiert die ultraliberale Ideologie des 19. Jahrhunderts von einem 'Nachtwächterstaat' Diese ist nicht weniger antiquiert wie die gleichzeitig entstandene marxistische Ideologie.
2. Zumindest Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft sowie soziale Fürsorge gehörten schon damals und gehören heute erst Recht zu den staatlichen Kernaufgaben.
3. Dass die AfD die hier zum Ausdruck kommende Ideologie selber gar nicht wirklich vertritt, zeigt sich an einer Reihe von Forderungen im Programmentwurf:
  • Ziff. 5 Abs. 1 (S. 24, Z. 5 ff.): 'Die politische Gestaltung der Bedingungen des Erwerbslebens und aller Systeme, die den Erwerbslosen auskömmliche Existenzbedingungen gewährleisten, gehört daher zu den bedeutungsvollsten Politikfeldern moderner Staatlichkeit.'
  • Finanzielle Förderung von Eltern bzw. Familien, die an zahlreichen Stellen (gut begründbar) gefordert wird (z. B. 5.4.1 Abs. 1 - S. 25) und die natürlich eine staatliche Umverteilung von Einkommen beinhaltet.
  • Ziff. 14.6 (S. 71/72): Subventionierung ländlicher Räume.
  • Ziff. 10.8 (S. 52): Die Passage lässt eine Skepsis gegenüber der Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge erkennen."
 
S. 137 (LT604, Gerd Plorin / KV Kleve) (Streichung Punkt 1.5.2 (S. 7: FREIE LISTENWAHL UND FREIES MANDAT
 
Es geht um folgenden Text (Auszug) im Programmentwurf, mit zwei Forderungen (meine Hervorhebungen):
"Mit der nach Grundgesetz und Bundeswahlgesetz deklarierten Personenwahl ist es nicht weit her. Dem Wähler werden starre Wahllisten der Parteien zum Ankreuzen vorgelegt. Die Erststimme hat auf die konkrete personelle Besetzung des Parlaments eine nur geringe Auswirkung. In Wahrheit wird über die “sichereren Listenplätze” die Zusammensetzung der Parlamente durch die Parteien gesteuert. Die demokratische Gestaltung des Wahlsystems soll dem Wähler die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung des Bundestages zurückgeben und das „Freie Mandat“ der Abgeordneten stärken. Wir treten für die „freie Listenwahl“ ein, mit der Möglichkeit des Kumulierens, Panaschierens und Streichens von Kandidaten."
Und
"Die AfD fordert zudem, dass die Erringung eines Abgeordnetenmandates an eine festgesetzte Soll‐Zahl von Wählerstimmen geknüpft wird. Im Falle einer niedrigen Wahlbeteiligung bedeutet dies eine Verkleinerung der Parlamente."
 
Auch hier ist die Begründung absolut überzeugend (meine Hervorhebungen):
"Das derzeitige Wahlsystem mit Erst und Zweitstimme hat sich bewährt, so dass dieser Punkt zu streichen ist. Zudem stimmt es nicht, dass die Erststimme nur eine geringe konkrete personelle Besetzung des Parlaments habe: Die Erststimme besetzt die Hälfte des Parlaments. Die geforderte freie Listenwahl ist theoretisch gut und schön, aber für die Praxis untauglich: Die allermeisten Wähler kennen die Kandidaten auf einer solchen Liste gar nicht und können diese daher auch nicht einschätzen. Außerdem ist die Repräsentierung der Wähler durch Kandidaten aus der Region nicht gewährleistet. Zudem würden bei einer freien Listenwahl am ehesten diejenigen gewählt, die sich bundesweit am lautesten in Position brächten.  Anders hingegen bei dem derzeitigem Wahlsystem: Hier kommt der Erstimmensieger aus dem Wahlkreis in das Parlament.
Auch die Mandatsbindung an Soll-Wählerstimmen bringt keine Vorteile: Die Verteilung der Parlamentsarbeit darf nicht von der Bequemlichkeit und Unreife der Wähler abhängig gemacht werden."
Diesen gründlich durchdachten Erwägungen kann ich nur zustimmen!
 
Vgl. dazu auch den Antrag S. 67, LT940, Andreas Haas / KV Fürth/Neustadt a. d. Aisch, der ebenfalls die Streichung der Verknüpfung von absoluter Stimmenzahl (bzw. Wahlbeteiligung: Der Passus ist insoweit ohnehin nicht eindeutig formuliert!) und Erringung des Abgeordnetenmandats fordert.
Haas fordert stattdessen eine Absenkung der 5%-Hürde.
Dieselbe Forderung erhebt auf S. 152 unter LT709 auch Daniel Lindenschmid vom KV Rems-Murr, der die Grenze konkret auf 3% absenken will.
Das war seit jeher auch mein Wunsch. Nachdem allerdings meine AfD bei der kommenden Bundestagswahl 2017 aller Voraussicht nach die 5%-Hürde locker überspringen wird, ist dieser Wunsch für mich nicht mehr gar so dringlich. ;-)
 
Andererseits könnte er, wenn man etwas "um die Ecke" denkt, auch Vorteile für uns haben.
Die Chance für rechtsextremistische Parteien auf einen Einzug in die Parlamente wären dann höher.
Zwar sind das Konkurrenten, die uns auch die eine oder andere Stimme abgraben würden. Doch auf der anderen Seite würde die AfD dann vielleicht auch einige Rechtsausleger loswerden, denen die AfD in ihrer aktuellen politischen Ausrichtung zu lasch ist, die aber in der Hoffnung bleiben, unseren Kurs in ihre Richtung drehen zu können. Und die nicht zu einer ihren politischen Ansichten eigentlich näher stehenden Partei des NPD-Spektrums gehen, weil diese politisch völlig chancenlos sind.
Dem würde eine 3%-Grenze vielleicht abhelfen; insoweit könnte ich mich letztlich doch mit einer solchen anfreunden. ;-)
 
 
S. 235 (LT266, Klaus Gagel / KV Rheingau Taunus) (Sanktionierung der Behinderung des Vertriebs von Presseerzeugnissen usw. aus politischen Gründen)
 
Diesen Antrag erwähne ich lediglich als Beispiel für den Bereich der Kuriosa:
"Der Bundesparteitag möge beschliessen unter dem Hauptpunkt 3) zu ergänzen: Die Behinderung des Vertriebs von Presseerzeugnissen und Drucksachen aus politischen Gründen ist strafbar und verpflichtet zu Schadensersatz.
Antragsbegründung:
Viele Großhändler sowie linke Aktivisten behindern den Vertrieb von Presseerzeugnissen. Angesichts der Bedeutung der Pressefreiheit ist dieser Schutz nötig."

Dazu hatte ich mir notiert:
Definitiv nein! Auch wenn es nicht schön ist: In einer Marktwirtschaft muss es schon dem jeweiligen Unternehmer überlassen bleiben, was er verkauft und was nicht. (Ansonsten wäre die logische Folge, dass wir - im Hinblick auf die Behinderung von AfD-Veranstaltungen - dieselbe Regelung auch für Gaststätten fordern!)

(Von Klaus Gagel / KV Rheingau Taunus stammt übrigens auch der Antrag s. 173 / LT169 zum Geldsystem, der für mich gleichfalls in den Bereich der Kuriosa gehört.)
 
 
S. 236 (LT315, Ulrich Neymeyr / KV München Süd) (betr. Programmentwurf zu Urteilsaufhebungen und ZurückVERweisung* zur Neuverhandlung)
* [im Text S. 17 Z. 9 - und entsprechend in den Änderungsanträgen - fälschlich "Zurückweisung"]
 
Der Entwurfstext S. 17, Z. 7 - 9
"Das Rechtsmittelsystem ist so zu gestalten, dass zügige Entscheidungen möglich werden, indem insbesondere Urteilsaufhebungen und Zurückweisungen zur Neuverhandlung abgeschafft werden"
hat bei mehreren Antragstellern das Missverständnis ausgelöst, als ob hier die Rechtsmittel beschränkt werden sollten. Besser wäre es wohl gewesen, von "Urteilsaufhebungen MIT Zurückverweisungen" zu sprechen; dadurch wäre auch sprachlich klargeworden, dass es sich nicht etwa um zwei Fallkategorien handelt, sondern lediglich um eine: Die Zurückverweisung vom Berufungsgericht an das Gericht des ersten Rechtszuges zwecks Neuverhandlung (§§ 538, 563 ZPO).
Rein abstrakt ist der Sinn des Entwurfsvorschlages durchaus nachvollziehbar: Ein Jojo-Spiel zwischen den Instanzengerichten zu vermeiden. Allerdings weiß ich nicht, ob es sehr häufig vorkommt, dass ein Instanzengericht die Entscheidung der vorigen Instanz auch im 2. "Durchgang" wieder aufhebt.
Ein Problem könnte auch sein, dass sich die vorgeschlagene Änderung möglicher Weise negativ auf die Belastung der Instanzengerichte und dadurch auch auf die Qualität von deren Rechtsprechung auswirkt. Das kann ich als Laie aber nicht wirklich beurteilen.
 
Dass die Antragsteller den Passus als Rechtswegverkürzung zu Lasten der Instanzenkläger verstehen, wird an den Begründungen deutlich.
  • Neymeyr: "Dies stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Zivilprozessordnung dar, ohne dass ansatzweise klar gestellt wird, wie diese Mittel ersetzt werden können."
  • Und noch deutlicher bei Dieter Lieberwirth / KV Stuttgart (S. 241, LT342): "Eine Urteilsaufhebung und Zurückweisung zur Neuverhandlung erfolgt infolge neuer Beweisführung oder Verfahrensfehler. Sollen tatsächlich solche Rechtsfehler nicht mehr korrigierbar sein? Die Rechtssicherheit wäre nicht mehr gegeben. Das wäre ein Rückschritt für die Justiz."
 
S. 280 (LT677, Beatrix von Storch / "Der Antrag wird unterstützt: Gliederung Beatrix von Storch, Dr. Alice Weidel, Petr Bystron, Leif-Erik Holm, Dr. Gunnar Beck, Peter Boehringer, BV Berlin-Mitte, BV Berlin-Pankow, BV Berlin- Reinickendorf und weitere Unterstützer") ("Wider die Rundum-Überwachung")
 
Antragstext:
"Bürgerliche Freiheitsrechte sichern: Wider die Rundum-Überwachung. Der Bundesparteitag möge beschließen: "3.1. Bürgerliche Freiheitsrechte sichern Unsere Freiheit ist ein wichtiges Gut. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere in unseren bürgerlichen Freiheitsrechten. Maßnahmen wie Bewegungs-, Vorratsdaten- und Fluggastdatenspeicherung, FATCA und nicht zuletzt auch die Kontrolle von Meinungsäußerungen im Internet greifen in unsere Freiheiten immer tiefer ein. Im Streben um niemals zu schaffende absolute Sicherheit werden die Freiheitsrechte Stück für Stück geschliffen. Dem stellen wir uns entgegen. Der Staat muss primär Strafrecht, Strafjustiz und Polizei stärken, statt alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen und ihnen tätergleich die bürgerlichen Freiheitsrechte unzulässig zu beschneiden. Informationelle Selbstbestimmung, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung sowie auch das Post- und Fernmeldegeheimnis wollen wir nicht unnötig antasten. Anlasslose Rundum-Überwachung aller Bürger lehnen wir ab. 3.2. Sicherheitspolitischer Befreiungsschlag für mehr innere Sicherheit"
[Im Leitantrag lautet die Überschrift 3.2 so: "WEISUNGSFREIE STAATSANWÄLTE, UNABHÄNGIGE RICHTER UND PARTEIFERNE RECHNUNGSHÖFE"] 
Antragsbegründung:
"Der Mensch ist für uns in seiner Beziehung zum Staat Bürger, nicht Untertan. Die Tendenzen, den Bürger als Objekt zu betrachten, halten wir für gefährlich. Die innere Sicherheit kann und muss unter Wahrung individueller Freiheitsrechte verbessert werden. Wir sind der Ansicht, dass durch Überwachungsmaßnahmen und Big Brother-Staat vor allem Schwächen der Strafverfolgung und der Strafjustiz ausgeglichen werden sollen. Statt immer stärkerer Überwachung fordern wir die Reform von Strafrecht und Strafjustiz bei gleichzeitiger Stärkung der Polizei."
 
In diesem Antrag stört mich vieles:
 
Zunächst einmal die Vermanschung der drei sehr verschiedenen Komplexe
  1. Bewegungs-, Vorratsdaten- und Fluggastdatenspeicherung (= Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität, insbesondere auch der organisierten Kriminalität);
  2. FATCA: Das ist ein amerikanisches Gesetz und daraus resultierend ein Abkommen mit den USA (Wikipedia) über den (wenn ich es richtig verstehe) gegenseitigen Datenaustausch über Steuerpflichtige und
  3. die Kontrolle von Meinungsäußerungen im Internet.
Sodann die flapsige Begründung.
Die Behauptung, dass "durch Überwachungsmaßnahmen und Big Brother-Staat vor allem Schwächen der Strafverfolgung und der Strafjustiz ausgeglichen werden sollen" ist Mumpitz. Neue Technologien eröffnen Terroristen und Verbrechern, insbesondere der Organisierten Kriminalität, völlig neue Kommunikationsmöglichkeiten und "Entfaltungs"spielräume.  Wer den Staat hierbei draußen halten will, fördert die Freiheit der Kriminellen, während er die Sicherheit der Bürger in einer total verantwortungslosen Weise schwächt. Auch hier steht offenbar das "Nachtwächterstaats"-Denken des 19. Jahrhunderts Pate. Zum Wohle der Paten.
Ich möchte nicht, falls ich jemals wieder im Flieger sitze, nur deshalb vom Himmel fallen, weil die deutsche Polizei keine Befugnis hatte, die Terroristen abzuhören, Fluggastdaten zu speichern usw.
Das Versprechen, den Terrorismus oder auch die organisierte Kriminalität mit einer Reform von Strafrecht und Strafjustiz bei gleichzeitiger Stärkung der Polizei" bekämpfen einfach nur lachhaft, wenn die "Stärkung" der Polizei offenbar nur in einer Personalmehrung bestehen soll, ihre Befugnisse insbesondere zur proaktiven Verbrechensbekämpfung dagegen sogar noch mehr beschnitten werden, als das gegenwärtig ohnehin schon der Fall ist.
 
Nicht zuletzt steht dieser Antrag in einem diametralen Gegensatz zum Programmvorschlag 3.6 ("KEIN DATENSCHUTZ FÜR TÄTER", S. 18, meine Hervorhebungen):
"Das Recht auf informelle Selbstbestimmung ist für uns ein wichtiges Gut. Die Grundsätze des Datenschutzes müssen gewährleistet werden. Gleichwohl ist zu überprüfen, ob die Sicherheit der Bürger sowie von Wirtschaft und Industrie vor Spionage bei dieser Frage angemessen berücksichtigt wird. Im Zweifel ist das Recht der Bürger auf Sicherheit höher zu bewerten als das eines Straftäters auf informationelle Selbstbestimmung. Bei der Implementierung von Datenschutzmaßnahmen ist immer der Mehraufwand für die Ermittlungspersonen und die Justiz zu berücksichtigen und sinnvoll abzuwägen. Ziel muss es sein, die Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bürger zu verbessern. In der Vergangenheit hat ein ideologisch motiviertes übertriebenes Maß an Datenschutzmaßnahmen die Sicherheitsbehörden gelähmt und unverhältnismäßig bürokratisiert. Die Folge ist mangelnde Sicherheit für rechtschaffene Bürger und Datenschutz für Täter. ....."
Nachdem die Antragsteller NICHT beantragt haben, diesen Programmpunkt zu streichen, muss ich annehmen, dass sie ganz bewusst einen inneren Widerspruch unserer Programmatik hinzunehmen bereit sind. Sie wissen offenbar, dass sie mit einer Streichung von 3.6 nicht durchkämen und hoffen, diesen durch die Hintertür auszuhebeln.
Indes ist Ziff. 3.6 ein Sicherheitsversprechen der AfD an die Bürger. Das würde zur Lüge verkommen, wenn wir gleichzeitig dem o. a. Antrag zustimmen wollten.
 
Eine gänzlich andere Kategorie ist die Internet-Überwachung.
Hier geht es ja um Überwachung der sozialen Netzwerke durch deren Betreiber. Für die es keine spezifische Rechtsgrundlage gibt, sondern lediglich die allgemeinen Strafnormen (Volksverhetzung, Beleidigung usw.).
Was gegenwärtig, initiiert von Bundesjustizminister Heiko Maas, z. B. bei Facebook läuft, ist äußerst irritierend. Aber grundsätzlich darf natürlich auch das Internet kein rechtsfreier Raum sein. Eine AfD-Regierung könnte natürlich Facebook signalisieren, dass kein gesteigertes Interesse an einer übertriebenen Selbst-Überwachung besteht. Aber die Strafnormen können wir natürlich nicht abschaffen - und die Denunzianten auch nicht.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch (kritisch) erwähnen, dass der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein kürzlich einen verschärften Jugendschutz im Internet gefordert hat - was ja wohl eine verschärfte Überwachung bedeutet.
 
Was die von den Antragstellern vorgeschlagene Änderung der Überschrift des Folgeabschnitts (3.2) bringen soll, ist mir ohnehin ein Rätsel. Zum derzeitigen Inhalt dieser Ziffer passt die neue Überschrift nicht im Entferntesten.
 
Übrigens wird derselbe Antrag noch einmal auf S. 296 als LT 754 gestellt. 
 
 
S. 391 (LT849, Ines Hartdorf / KV Meißen) (Keine militärischen Einsätze der Bundeswehr außerhalb der NATO-Bündnisverpflichtungen.)
 
Die Bezugspassage im Entwurf (S. 21, Z. 13 - 15) lautet:
"Nato‐Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs, an der sich deutsche Streitkräfte beteiligen, sollten grundsätzlich unter einem UN‐Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden."
 
Der Antragstext
"Der Bundesparteitag möge beschließen: Die Beteiligung ist auf humanitäre Hilfen zu beschränken"
verweist auf S. 21 Z. 15 und kann deshalb nur als Antrag auf textliche Ergänzung verstanden werden. Das würde bedeuten, dass deutsche Streitkräfte unter UNO-Mandat überhaupt nicht militärisch aktiv werden dürfen.
Die Begründung
"Unsere Streitkräfte sind vor allem zum Schutz unseres Landes gedacht. Konfliktbeteiligungen und Einmischungen sollten vermieden werden"
klingt zwar gut und entspricht vermutlich einer in Deutschland wie auch innerhalb der AfD verbreiteten Stimmung.
Aber in einer globalisierten Welt kann sich eine Mittelmacht wie Deutschland nicht einfach raushalten, wenn es irgendwo kracht. Da sind irgendwo immer auch eigene Interessen betroffen, oder es besteht eine moralische Verpflichtung zu militärischer Hilfe.
Wenn wir uns überall raushalten wollen, werden sich alle anderen (völlig zu Recht) auch raushalten, wenn es UNS irgendwo an den Kragen geht. Eine "splendid isolation" kann es für Deutschland nicht geben.
Beispiele:
  • Piraterie vor Somalia
  • Vormarsch des Islamismus in Nordafrika 
 
S. 408 (LT28, German Bachert / KV Rhein-Pfalz-Frankenthal) (Auflösung der BA streichen)
 
"Der Bundesparteitag möge beschließen, Punkt 5.2 (Bundesagentur für Arbeit auflösen und kommunale Jobcenter aufwerten) ersatzlos zu streichen"
lautet kurz und knackig der Antragstext; eine Begründung fehlt.
 
Die Begründung liefert in aller Ausführlichkeit Dr. Klaus Wieser / LV Hamburg mit dem Antrag S. 445/446, LT553 ("Der Bundesparteitag möge beschließen: Seite 24 ersatzlose Streichung des Punktes 5.2. Bundesagentur für Arbeit auflösen und kommunale Jobcenter aufwerten"):
 
"1. Die Aufgaben der Agentur für Arbeit sind:
  • Vermittlung in Ausbildungs- und Arbeitsstellen Berufsberatung
  • Arbeitgeberberatung
  • Förderung der Berufsausbildung
  • Förderung der beruflichen Weiterbildung
  • Förderung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung
  • Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und
  • Entgeltersatzleistungen, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Insolvenzgeld.
  • Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
  • Arbeitsmarktbeobachtung und -berichterstattung und
  • Führung von Arbeitsmarktstatistiken.
  • Zahlung von Kindergeld · Ordnungsaufgaben zur Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs.
2. Die Jobcenter im praktizierten Optionsmodell sind für die arbeitsmarktbezogene Eingliederung, Sicherung des Lebensunterhalts durch Arbeitslosengeld II, Zahlung von Beiträgen zur Kranken und Pflegeversicherung, Unterkunft und Heizung sowie für Bildungs- und Teilhabeleistungen zuständig. Alles andere obliegt auch bei den Jobcentern im Optionsmodell weiter der Bundesagentur für Arbeit (siehe 1). Eine Abschaffung der Bundesagentur brächte keine Vorteile, da diese Arbeit erledigt werden muss. Teilweise ist die Erledigung der Aufgaben der Bundesagentur Voraussetzung für das Funktionieren der Jobcenter. Auch der Programmentwurf geht davon aus, denn er formuliert: „Alle Anliegen zum Thema „Arbeitslosigkeit und Lohnersatzleistung“ werden durch eine Verwaltungsbehörde geklärt.“ Das Ergebnis würde höchstwahrscheinlich sein, dass eine vergleichbare Organisation geschaffen oder die Bundesagentur für Arbeit umgestaltet werden müsste. Allerdings ist nicht sicher, dass dann eine grundsätzlich andere Organisation leistungsfähiger würde. Warum dann die BA abschaffen?
3. Alle Wahlanalysen haben gezeigt, dass sich ein erstaunlich hoher Anteil unserer Wähler aus der Gruppe der Arbeitslosen und der mit prekären Arbeitsverhältnissen rekrutiert. Eine Abschaffung der vertrauten Bundesagentur für Arbeit würde sie auch dann verunsichern, wenn sie die bisherigen Leistungen in alter Höhe - aber dann von einer anderen Organisation - erhielten .Insofern wäre die Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit kontraproduktiv.
4. Wir bieten mit der Abschaffung eines wichtigen Zweiges der Sozialversicherung unseren politischen Gegnern unnötig einen Angriffspunkt, auch wenn alle Leistungen von anderen Institutionen übernommen werden würden. Das ist töricht."
 
Ich selber betrachte diese Programmentwurfspunkt als ein Relikt und erinnere ich daran, dass der erste Entwurf der Programmkommission eine komplette Abschaffung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung gefordert hatte (vgl. dazu meine Kritik "AfD-Programmentwurf: Libby Langfingers Dschihad gegen den Sozialstaat").Gegen dieses Relikt, also gegen Ziff. 5.2 (S. 24) des Entwurfs hatte ich in meinem Blott "Änderungsvorschläge ....." folgende Einwände erhoben (Hervorhebungen jetzt ergänzt):
  1. "Eine Organisation der Arbeitsvermittlung in Form von autonomen Einheiten auf kommunaler Ebene) wäre historisch ein Rückfall in die Anfänge der Vermittlung um 1900.
  2. Die angestrebte Organisation der Arbeitsvermittlung ist ineffizient und in keinster Weise mit der unter Ziff. 5 (S. 24, Z. 2) geforderten "hocheffizienten Volkswirtschaft" vereinbar.
  3. Der Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit soll flugs eine neue Behörde folgen: "Alle Anliegen zum Thema 'Arbeitslosigkeit und Lohnersatzleistung' werden durch eine Verwaltungsbehörde geklärt" (Z. 30 ff.). Das wäre in der Tat sachlich zwingend, um die Tätigkeit der Jobcenter auf irgend eine Weise zu koordinieren. Doch wäre es im Zeitalter der weltweiten EDV-Vernetzung ein Schildbürgerstreich erster Güte, wollte man eine straff durchorganisierte bundesweite Behörde durch ein Konglomerat autonomer, aber irgendwie doch zur Zusammenarbeit verpflichteter und von einer neuen Zentralbehörde auf welche Weise auch immer zu koordinierender Verwaltungsgebilden ersetzen.
  4. Zahllose vorhersehbare Schwierigkeiten etwa bezüglich Einheitlichkeit der Datensysteme, Einführung neuer Datenprogramme (Pflicht? Kostentragung?), Datensicherheit und Zugriffsberechtigungen springen bei nur oberflächlichem Nachdenken unmittelbar ins Auge.
  5. Eine Kommunalisierung der Arbeitsvermittlung schanzt den lokalen Kleinkönigen die Macht zur Pöstchenverteilung zu; Parteibuchwirtschaft wäre vorprogrammiert.
  6. Da die Mitteilaufbringung weiterhin zentral erfolgen würde und eine Verteilung kaum anders als nach der Anzahl der jeweiligen Arbeitslosen vorstellbar ist, ergäbe sich für das einzelne Jobcenter der perverse Anreiz, Arbeitslose möglichst lange NICHT in Arbeit zu vermitteln, sondern im Zustand der Arbeitslosigkeit zu halten.
  7. Schwerpunktmäßige Maßnahmen etwa bei Strukturwandel (historisches Beispiel: Einstellung des Kohlebergbaus) wären kaum möglich, weil die Mittelverteilung nach starren Kriterien erfolgen würde. 
Fazit: Der Vorschlag Ziff. 5.2 erscheint ideologiegetrieben und macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man die bundesweite und weltweite Arbeitsvermittlung [von Deutschen] bewusst gegen die Wand fahren will. ....."

 
 
S. 409 (LT58, Herbert Strotebeck / BV Düsseldorf) (Mindestrente 1.200,- €)
 
Antragstext:
"5.5. MINDESTRENTE - ALTERSARMUT BESEITIGEN: Die AfD setzt sich für eine Mindestrente ein. Die Mindestrente darf unter Berücksichtigung der Lebensarbeitszeit nicht unter 1.200 Euro liegen."
Eine Begründung fehlt; der Leser darf also darüber rätseln, was mit "Berücksichtigung der Lebensarbeitszeit" gemeint ist.
Der schlampigen Formulierung entspricht das schlampige Denken:
  • Keinerlei Überlegungen zur Gegenfinanzierung
  • Keinerlei Gedanken über 'Risiken und Nebenwirkungen'. Beispielsweise liegt der Mindestlohn bei ca. 1.500,- brutto (8,50 €/Std. x ca. 170 Std.). Nach Abzügen bleiben davon bei einem Alleinstehenden netto vielleicht noch irgendwo bei 1.100,- € übrig, nach Fahrkosten noch weniger. Vielleicht haben unsere Düsseldorfer Parteifreunde ja den Ausfall des dortigen Karnevalsumzuges nicht verwunden und wollen jetzt die Partei zum Narren halten?
 
S. 492 (LT65, Astrid zum Felde / KV Stade) (Zulassung von passiver Sterbehilfe)
 
Antragstext:
"Der Bundesparteitag möge beschließen, hinter dem Absatz 6.7 des Leitantrages einen weiteren Absatz 6.8 einzufügen: 6.8 AfD steht für passive Sterbehilfe Alle Menschen haben das Recht auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug - diese Maxime hat Verfassungsrang. Nach ihr möchten viele leben und den Ausklang ihres Lebens frei gestalten, ohne ein quälendes Lebensende. Deutschland und die Schweiz haben sehr ähnliche Rechtsordnungen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gilt in beiden Ländern, auch die Verfassung beider Länder garantiert gleichermaßen das Recht auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug. Insofern ist in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht hinnehmbar, dass der Gesetzgeber dieses grundgesetzlich garantierte Recht auf Selbstbestimmung nun für alte und schwache Menschen verhindert (siehe Verbot des passiven Sterbehilfe §217 StGB). Für viele Menschen ist die Möglichkeit des organisierten Suizids keine Frage des Scheiterns, sondern Ausdruck der individuellen Freiheit und einer persönlichen Entscheidung. Die AfD steht für das Recht auf frei bestimmten Suizid bei schwerer Krankheit oder am Lebensende analog der rechtlichen Verfahren wie in der Schweiz. Der Gesetzgeber hat verbindliche Verfahren zu definieren, die sicherstellen, dass ein Missbrauch durch Verwandte oder andere Personen ausgeschlossen wird. Ein kommerzieller Nutzen muss ausgeschlossen werden. Die Regelungen der Schweizer Gesetze sind ein erprobtes Beispiel."
 
Antragsbegründung:
"In erster Linie muss es darum gehen, für ein gesellschaftliches Klima in Deutschland zu sorgen, das - nach Schweizer Vorbild - allen Menschen das Recht auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug nicht nur in Höhen des Verfassungsrecht garantiert, sondern auch in den Niederungen des täglichen Lebens und der Verzweiflung.
Die AfD tritt für das Selbstbestimmungsrecht bis zum Tode und für eine passive Sterbehilfe wie in der Vergangenheit ein. Das geplante Verbot der passiven Sterbehilfe korrespondiert nicht mit den Recht auf freie Selbstbestimmung. Kirchen und Politik dürfen sich nicht über das Selbstbestimmungsrecht der Menschen hinwegsetzten und wehrlosen Menschen im Alter ihren politischen Willen aufzwingen."
 
UNBEDINGTE ZUSTIMMUNG!
Wenn die AfD eine Partei sein will, die den Menschen das größtmögliche Maß an Entscheidungsfreiheit dort gewährt, wo keine (legitimen) Belange anderer berührt sind, dann muss sie diesen Punkt in ihr Programm aufnehmen.
Allenfalls würde ich die vorgeschlagene Überschrift "AfD steht für passive Sterbehilfe" abändern in "AfD steht für DIE ZULASSUNG VON passiveR Sterbehilfe".
Denn dass die AfD dafür steht, uns Rentner schnellstmöglich unter die Erde zu bringen: Das will ich denn doch nicht hoffen. ;-)
 
 
Unerbittlich tickt die Sanduhr, bzw. verändern sich die Ziffern der Zeitanzeige auf dem PC.
 
Nicht einmal die Hälfte derjenigen Anträge, die ich mir zwecks Kommentierung ausgedruckt hatte, habe ich geschafft. Dafür bin nun freilich ich geschafft, und wenn irgendeiner meiner Leser es bis zu diesem Satz schaffen sollte, dann wird auch er geschafft sein.

Die Nacht ist kurz, und übermorgen geht es auf Bahnfahrt in Bummelzügen.
Nach Stuttgart, zu unserem Programmparteitag. Der sicherlich stressig werden wird.
 
Deshalb muss ich jetzt leider die Reißleine ziehen und hier ziemlich abrupt "tschüss" sagen.
 
 
 
 

ceterum censeo

 

Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":

Der hat den A.... offen!

Textstand vom 28.04.2016

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