Montag, 6. Juli 2015

Seele siegt über Technik. Der Essener AfD-Bundesparteitag war ein demokratisches Reifezeugnis für unsere Partei!



Einige Kommentare von mir zu Umständen und Ergebnissen des Bundesparteitages der Alternative für Deutschland (AfD) in Essen (Samstag, 04.07.2015 - Sonntag, 05.07.2015).
Vorab die Information, dass ich selber nicht dort war (und auch den Livestream nur am Samstag kurz angeschaut habe). Soweit es um Vorgänge auf dem BPT geht, beziehe ich mich also auf Gelesenes.

1) Wir können heilfroh sein, dass dieser außerordentliche Parteitag KEIN Delegiertenparteitag war, sondern ein Mitgliederparteitag.
Hätten lediglich Delegierte Prof. Bernd Lucke von seinem Vorstandsvorsitz abgewählt, käme zweifellos eine "Dolchstoßlegende" von Seiten der Weckruf 2015-Mitglieder: "DAS waren die Delegierten; wenn die Mitglieder gewählt hätten, hätte alles anders ausgesehen."
Dem ist nun ein Riegel vorgeschoben, was wir, Ironie der Geschichte, wohl nicht zuletzt Prof. Lucke selber zu verdanken haben. Der hatte sich bekanntlich von einem Mitgliederparteitag mehr Zuspruch als von den Delegierten erhofft.
[Ich selber hatte den Mitglieder-PT von vornherein begrüßt (bei Facebook); andere Lucke-Gegner (zu denen auch ich zähle, wenn auch erst seit kurzem) waren weniger begeistert. Aber jetzt werden wohl alle zufrieden sein.]

2) Ebenso wichtig für eine unstreitige Legitimation ist auch das Stimmenverhältnis: ca. 60% für Dr. Frauke Petry gegen nur knapp 40% für Prof. Bernd Lucke: dieser Abstand (in der Relation hat Frau Petry damit 50% mehr Stimmen als Hr. Lucke erhalten!) ist so eindeutig, dass auch hier keine vernünftigen Zweifel am Mehrheitswillen in der Mitgliedschaft aufkommen können. Es haben also nicht etwa die Urlaubszeit, oder das "Herankarren" von Anhängern den Ausschlag gegeben. (Wobei es Letzteres ohnehin wohl auf beiden Seiten gab.)

3) "Der Liberale Jörg Meuthen wird mit 62 Prozent vor Paul Hampel (29 Prozent) gewählt" berichtete der Liveticker der Junge Freiheit. Und kommentierte: "Mit der Wahl des Wirtschaftsliberalen Jörg Meuthen hat das Petry-Lager einen kompletten Durchmarsch der Konservativen vermieden. Meuthen ist das Friedensangebot des Petry-Lagers an den enttäuschten Lucke-Flügel."
DAS ist es insbesondere, worauf sich meine Bewertung "demokratisches Reifezeugnis" stützt: Dass der Flügel der Lucke-Gegner trotz seiner offenkundigen Überlegenheit den "Luckisten" (also den Anhängern des Vereins Weckruf 2015) dennoch die ausgestreckte Hand hingehalten hat. (Auch wenn die von der Gegenseite nicht angenommen wurde.)

4) Ein weiterer Punkt pro "Reifezeugnis" ist der relativ disziplinierte Ablauf des Bundesparteitages in Essen. Es gab zwar wohl einige unschöne Randerscheinungen: Lucke wurde ausgebuht, und später, als er eine persönliche Erklärung abgeben wollte, lies man ihn nicht ans Mikrofon. Letzteres mag der Geschäftsordnung geschuldet gewesen sein (so jedenfalls äußern sich einige meiner Facebook-Freunde). Aber das Ausbuhen während seiner Rede und das "Rote-Karte-Zeigen": Das sind, wie ich nicht verschweigen will, unschöne Flecken auf dem sonst erfreulichen Bild dieses BPT.

5) Sehr froh bin ich auch, dass Versuche von übereifrigen Lucke-Gegnern fehlgeschlagen sind, seinen Verein Weckruf 2015 im Vorfeld mit juristischen Mitteln zu stoppen.
Ein Verbot wurde vom Bundesschiedsgericht bekanntlich abgelehnt (logo: Das läge auch außerhalb der Kompetenz des Schiedsgerichts!).
Und Versuche, auf der Ebene der Landesverbände die Zugehörigkeit zum Weckruf 2015 für unvereinbar mit der AfD-Zugehörigkeit zu erklären (so wohl in Sachsen), wurden von der luckefreundlichen Mehrheit im Bundesvorstand gestoppt. Auch darüber können wir nur froh sein (auch wenn manche auf "unserer" Seite das seinerzeit anders gesehen haben).

Diese Versuche, den Weckruf juristisch auszubremsen, habe ich von Anfang an kritisch kommentiert.
In der Sache hätte man eine Unvereinbarkeitserklärung vielleicht begründen können, und wäre damit (einen entsprechenden Beschluss des Bundesvorstands vorausgesetzt) in der Schiedsgerichtsbarkeit vielleicht sogar durchgekommen.
Aber es ist allemal unerfreulich, politische Auseinandersetzungen auf der juristischen Ebene zu führen. Ich selber war von Anfang an zuversichtlich, dass die Mehrheit der Parteimitglieder nicht mehr auf Luckes Seite steht. Und dass der Weckruf eben NICHT die "eigentliche", "wahre" oder "ursprüngliche" AfD repräsentiert, nicht jene AfD, wie wir "Gründungs"-Mitglieder (im weiteren Sinne: diejenigen, die beim Berliner "Gründungs"-Parteitag am 14.04.2013 anwesend bzw. Mitglied waren) sie wollten.


Es war sicherlich nicht bei allen Parteifreunden eine unüberbrückbare Ferne zu den politischen Positionen von Prof. Bernd Lucke, die sie davon abgehalten hat, ihn jetzt erneut zum Bundesvorsitzenden zu wählen.
Viele dürfte (genau wie mich) die Brutalität und die Methode abgestoßen haben, mit der Prof. Bernd Lucke die AfD auf seine eigene Linie bringen wollte:

- Erst kam seine Werbung für den von Ronald Geiger initiierten (Versuch eines) Mitgliederentscheid(es), der ein klarer Programmputschversuch war. Nachdem Lucke noch wenige Tage vorher in einem gegen die Resolutionen (formal Erfurter Resolution und Deutsche Resolution; gemeint war sicherlich die ER) gerichteten Mitgliederrundschreiben gefordert hatte, sich in den Programmprozess einzubringen anstatt zu versuchen, das Parteiprogramm durch Resolutionen zu beeinflussen, war es plötzlich völlig ok für ihn, auf sehr viel einschneidendere Weise, nämlich durch einen Mitgliederentscheid, das Parteiprogramm teils vorwegzunehmen, teils den Freiheitsraum für die Programmentwicklung zu beschneiden. Diese Wendung um 180° hat mir einen Schock versetzt. Der Mitgliederentscheid wurde bekanntlich durch das Bundesschiedsgericht gestoppt, weil er einen Verstoß gegen das Bundesparteiengesetz darstellt. Danach darf das Programm nämlich nur auf einem Parteitag beschlossen werden (weil nur dort eine angemessene Debatte möglich ist). Dass Lucke sich für die angebliche Rechtmäßigkeit dieses Mitgliederentscheides auch noch auf ein Gutachten (des eigentlich renommierten Osnabrücker Professors Jörn Ipsen) bezog, das erkennbar an den Haaren herbeigezogen war, hat mein Vertrauen in seine politische Redlichkeit auch nicht grade gestärkt.

- Dass Lucke und seine Anhänger dann auch noch einen Verein gründeten ("Weckruf 2015") der von allem Anfang an deutlich sichtbar als quasi politischer Fallschirm aufgestellt war (nämlich als Vorbereitung einer Partei-Ausgründung, falls Lucke nicht zum Vorsitzenden gewählt werden würde), hat ihn wohl nicht nur bei mir die letzten Reste an Wohlwollen gekostet. Organisatorisch war das unstreitig eine hervorragende Leistung - aber eben auch NUR organisatorisch. Mit solchen kühlen technischen Aktionen kann man vielleicht eine Firmenübernahme organisieren; aber es fehlte (trotz aller Schimpferei) bei der ganzen Weckruferei letztlich jene tiefe Leidenschaft, die uns alle bei der Gründung beseelt hatte - und die viele noch immer beseelt.
Eine Partei ist nun einmal kein Schachbrett, wo man nach Belieben über die Mitglieder-"Bauern" disponieren, und sie hin- und herschieben kann. Wir wollen Politik machen (und wenn es, wie bei mir, nur Facebook- und Blogpolitik ist ;-) ), wir wollen uns nicht auf anderer Leute Spielbrett hin- und herschieben lassen!
Und so hat in Essen die "Seele" der "alten AfD" die "Technik" der Weckrufer-Strategen besiegt.

"Wir" haben gewonnen; aber Triumphgefühle verspüre ich keine. Denn:
Ohne Lucke wird es schwer.
Aber mit ihm ging es leider nicht mehr!
(Und das bedauere ich sehr.)

Jetzt müssen wir darauf achten, dass wir uns weiterhin wie bisher eindeutig vom Rechtsextremismus abgrenzen. Dann können wir bei den kommenden Wahlen und insbesondere bei der Bundestagswahl 2017 auch ohne Lucke und seine bereits ausgetretenen oder demnächst austretenden Anhänger die 5%-Hürde überspringen!
Aber bitte, liebe Parteifreunde: Nicht übermütig werden. Ein Spaziergang wird das nicht; dafür werden unsere Gegner und die Medien schon sorgen.


Nachträge 06.07.2015: Medienberichte über den BPTin der Essener Grugahalle:

Nachtrag 07.07.2015
Aus dem heutigen Zeit-Artikel (dpa-Meldung) "Rechtsruck in AfD: Lucke-Flügel denkt über neue Partei nach": "AfD-Pressesprecher Christian Lüth teilte mit, seit dem Parteitag habe die Bundesgeschäftsstelle 512 Austritte registriert. Das seien rund 2,5 Prozent der Mitglieder. Er trat Berichten entgegen, wonach Petry hauptsächlich von AfD-Mitgliedern gewählt worden sein soll, die mit Reisekostenzuschüssen und kostenlosen Busreisen aus den östlichen Landesverbänden zum Parteitag nach Essen gelockt worden seien.
Gemäß einer Auflistung der AfD-Bundesgeschäftsstelle waren rund 26 Prozent der Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen und zwölf Prozent aus Bayern angereist. Aus Sachsen seien lediglich knapp fünf Prozent der Parteitagsbesucher gekommen. Aus Thüringen waren demnach nur 2,5 Prozent der Teilnehmer erschienen."



ceterum censeo

Blockis* bluten brave Bürger!
Deshalb Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!

* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD
Textstand vom 07.07.2015

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen