Mittwoch, 3. Juni 2015

Nationalismus hat sooo'nen Bart. Und am Kyffhäuserdenkmal gleich zwei Bärte.


Der rechte Flügel der AfD ("DerFluegel") lädt seine Anhänger für den 06.06.2015 zu einem Zusammentreffen ein (meine Hervorhebungen):
"Liebe Unterzeichner der „Erfurter Resolution“, hiermit laden wir Sie zu unserem Treffen am 6. Juni in die Gaststätte und Hotelanlage „Burghof Kyffhäuser Denkmal Wirtschaft“ am Kyffhäuserdenkmal ein. Die Kyffhäusersage verkörpert die Hoffnung auf eine gute Zukunft für unser Land. In diesem Sinn wollen wir uns versammeln und welch besseren Ort könnte es dafür geben?
Sie erwartet ein Programm aus Musik, richtungsweisenden Reden und gemütlichem Beisammensein mit Gleichgesinnten. Das Programm beginnt pünktlich um 12.00 Uhr, der Einlaß öffnet ab 11.30 Uhr."

Das Datum ist mit Bedacht gewählt (auch wenn Höcke das "reiner Zufall" nennt): Am 13./14. Juni 2015 findet in Kassel der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland statt, auf dem die Wahl eines neuen Bundesvorstands ansteht. Da will man offenbar die eigenen Anhänger einen, um die eigenen Kandidaten (Björn Höcke?) in den Bundesvorstand wählen zu lassen.
Mittlerweile gibt es von den "Liberalen" um Prof. Bernd Lucke eine (organisatorisch weitaus stärker, nämlich formal als eingetragener Verein und inhaltlich sogar wie eine Partei innerhalb der Partei, verfestigte) innerparteiliche Gegenbewegung unter dem Namen "Weckruf 2015". Die richtet sich allerdings offensichtlich nicht lediglich gegen die Anhänger der Erfurter Resolution, die sich unter der Bezeichnung "DerFluegel" ohne organisatorische Form "zusammengeschlossen" haben, sondern auch gegen Alexander Gauland und Frauke Petry.
Man blickt als Außenstehender nicht durch, was Prof. Lucke, und insbesondere Hans-Olaf Henkel, wirklich umtreibt:
  • die Sorge, dass die Partei allzu weit nach rechts driften könnte oder
  • die Sorge um einen Machtverlust.
(Vielleicht beides.) Für mich ist auch nicht klar, was genau den Anstoß zur Weckruf-Gründung gab; offiziell genannt werden Bestrebungen, die AfD weiter rechts zu positionieren. Diese seien weniger in der Öffentlichkeit präsent als vielmehr in geheimen Facebook-Gruppen usw. aktiv.
Gut möglich, dass die Weckrufer damit insbesondere die Anhänger der Erfurter Resolution meinen; konkret genannt wurden allerdings in letzter Zeit der Sturz von Lucke-nahen Landesvorständen in Niedersachsen und Hessen; auch NRW wird von den Weckrufern als problematischer Landesverband eingestuft.
Jedenfalls hatten die innerparteilichen "Liberalen" seinerzeit sofort heftig (und m. E. überzogen) auf die Erfurter Resolution reagiert. (Vgl. dazu meinen Blott "Flügelk(r)ämpfe in der AfD: Die 'Liberalen' rasten aus" vom 18.03.2015.)
Aus diesem Zusammenhang ließe sich (aus "liberaler" Sicht), allerdings nur der Kampf gegen Björn Höcke (und Andrée Poggenburg vom LV Sachsen-Anhalt) verstehen, nicht die (zwar nicht offiziell erklärte, aber deutlich sichtbare) Richtung (auch oder gar insbesonders?) gegen Alexander Gauland und Frauke Petry.

Doch egal, ob bzw. inwieweit es sich um einen persönlichen Machtkampf oder um einen Richtungskampf handelt:
Richtig ist auf jeden Fall, dass die AfD nicht so weit nach rechts abrutschen darf, dass sie in der Öffentlichkeit massiv in Extremismusverdacht gerät; von einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ganz zu schweigen. Rechtsextremisten hatte ich bereits am 27.10.2014 kritisiert: "Warum Rechtsextremisten feige, schwächlich und dumm sind".

Erneut gelangte das Verhältnis der AfD zum rechten Rand des politischen Spektrums im Zusammenhang mit Björn Höcke in die Debatte. Höcke war (verklausuliert) beschuldigt worden, unter dem Pseudonym Landolf Ladig in früheren Jahren Beiträge für NPD-Postillen geschrieben zu haben. Einer Aufforderung des AfD-Bundesvorstandes, diesem Vorwurf durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entgegenzutreten, verweigerte er sich.
Kaum war allerdings diese Diskussion im Höckes Verhältnis zur NPD ein wenig beruhigt worden durch eine Erklärung des NPD-Funktionärs Thorsten Heise, wonach Höcke nicht mit Ladig identisch sei, tappte Höcke neuerlich in die rechte Abseitsfalle. Diesmal allerdings mit bösartiger Nachhilfe der Zeitung "Thüringer Allgemeine" (TA). Die stellte nämlich am 06.05.2015 Aussagen von Höcke über die NPD-Mitglieder („Ich gehe nicht davon aus, dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann. Das würde in der Beurteilung etwas zu weit gehen“) unter der irreführenden Überschrift "Thüringer AfD-Chef Höcke distanziert sich nicht von der NPD" ein. Und das, obwohl Höcke sich in Wahrheit sehr wohl von der NPD insgesamt abgegrenzt hatte: "Allerdings habe die NPD „große Teile in sich, die eindeutig als extremistisch einzustufen sind und die die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht achten“, so Höcke."

Ausführlich habe ich diese Vorgängen in meinen Blott "Wenn vom Wort die Schatten wirken. AfD, NPD und der Fall Björn Höcke" behandelt.
Hier ist lediglich festzuhalten, dass Höcke in der öffentlichen Debatte kurz hintereinander zweimal in einen NPD-Zusammenhang gerückt worden war. In einer solchen Lage kann man als Politiker nicht einfach weitermachen wie bisher, mit dem Bewusstsein "ich bin unschuldig". [Am 29.05.2015 wurde eine weitere problematische Äußerung Höckes bekannt: Vgl. MDR- und DLF-Berichte.]
Zumindest muss sich ein Politiker bemühen, weiteren Fettnäpfchen dieser Art auszuweichen. Aber leider kann der Höcke-Elefant offenbar an keinem Porzellanladen vorbeigehen, ohne mal kurz reinzutreten.

Als ich von der Flügel-Einladung zum Kyffhäuser-Denkmal hörte, habe ich schon geschluckt. Ohne dass ich überhaupt näher mit der Materie vertraut war, habe ich "Kyffhäuser" automatisch mit "national(istisch)" assoziiert. (Und das, wie ich jetzt bei einer intensiven Beschäftigung mit der Materie feststelle, nicht ohne Grund.)
Ein wenig habe ich mich dann wieder beruhigt nachdem ich in einer Facebook-Gruppe erfahren hatte, dass die Zusammenkunft der Fluegel-Anhänger ursprünglich auf der Wartburg hätte stattfinden sollen. Diese Stätte von Martin Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche wäre zweifellos ideal gewesen, um den AfD-Wahlspruch "Mut zur Wahrheit" zu symbolisieren. Nachdem diese Planung jedoch scheiterte, sei die Veranstaltung zum Kyffhäuser-Denkmal verlegt worden.

Über diesen Veranstaltungsort zeigt sich auch Prof. Bernd Lucke alarmiert. In einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers vom 25.05.2015 über Lucke-Äußerungen in Köln heißt es:
"Gegen viele Entgleisungen oder „grenzwertige Positionierungen“ sei der Vorstand machtlos – zumal wenn Frauke Petry bestimmte Bemühungen torpediere, um den „rechten Flatterrand“ in den Griff zu bekommen. Als Beispiel nennt Lucke in Köln die Absicht des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, ein Treffen ausgerechnet am Kyffhäuser-Denkmal, einem beliebten Pilgerziel von Rechtsradikalen, zu veranstalten. Davon gehe eine verheerende Wirkung aus."

Nun, davon, dass der Kyffhäuser tatsächlich systematisch von Rechtsradikalen aufgesucht würde ("Pilgerziel"), kann wohl nicht die Rede sein; zumindest konnte ich beim Googeln nichts derartiges in Erfahrung bringen.
Allerdings ist die Geschichte des Denkmals eng mit Nationalismus und Militarismus verknüpft. Insofern wäre es aus meiner Sicht sehr wohl geboten gewesen, keine Zweideutigkeiten im Zusammenhang mit diesem Versammlungsort aufkommen zu lassen.

Ganz zweifellos bietet sich die Lokalität zwar schon aus rein technischen Gründen für ein derartiges Treffen an:
  • Es gibt dort eine Gastronomie ("Burghof Kyffhäuser"), die darauf eingestellt sein dürfte, auch kurzfristig eine vorher nicht genau bestimmbare größere Besucherzahl zu versorgen.
  • Parken ist dort kein Problem.
  • Einen Saal für bis zu 700 Personen ("Friedrichs Bergpalast") gibt es auch in der Restauration.
  • Der Ort liegt in Deutschland ziemlich zentral; damit ist er (für Autofahrer) aus allen Bundesländern gut zu erreichen.

Auch an Attraktionen herrscht kein Mangel (s. a. hier); ein Besuch der Veranstaltung lässt sich, wenn wer das möchte, prima mit einem Urlaubsaufenthalt in dieser Gegend verbinden:
  • An erster Stelle ist natürlich das Kyffhäuserdenkmal selber sehenswert (Wikipedia; Homepage; Facebook mit unzähligen Fotos). Dessen kunsthistorische Wert ist vielleicht nicht überragend, aber seine Monumentalität beeindruckend. Das Denkmal liegt auf dem Gelände der staufferzeitlichen Reichsburg Kyffhausen, von der ansehnliche Überreste noch existieren (Webseite "Burgenarchiv"). Sehenswürdigkeiten in der Nähe sind
  • die Reste der Königspfalz Tilleda (Bilder) und
  • die berühmte Barbarossa-Höhle ("eine von weltweit nur zwei existierenden Schauhöhlen im Anhydritgestein"), ca. 10 km vom Denkmal entfernt. Überhaupt ist die ganze Gegend auch geologisch interessant. (Für Freaks hier ausführliche geologische Informationen über die Höhle; zur Erschließungsgeschichte hier; historische und geologische Überblicksinfo hier.)
  • Das Kyffhäuser-Gebirge ist ein Naturpark mit einer eigenen Webseite. (Hier eine ältere Landkarte, wohl aus den 1920er Jahren.)
  • Vermutlich (ich kenne ihn nicht) der interessanteste Ort in der Nähe ist Bad Frankenhausen. Dort stehen nicht nur eine Reihe von Gebäuden aus alter Zeit (darunter ein schiefer Kirchturm), sondern auch die DDR hat eine eindrucksvolle Attraktion hinterlassen: Das gigantische Bauernkriegspanorama des berühmten Malers Werner Tübke. Und weil der Ort ein (Sole-)Bad ist, kann man dort auch baden gehen. Auch einen hohen Symbolwert können wir diesem Ort beimessen, weil hier im Bauernkrieg die letzte große Schlacht stattfand: Damals empörten sich die Bauern gegen ihre Grundherrschaften; heute empört sich unsere AfD gegen die Finanzherrschaften. (Damals siegten die Herrschenden; heute hoffentlich das Volk! ;-) )
  • In der Umgebung beherbergt der Rosengarten ("Europa-Rosarium") in Sangerhausen die größte Rosensammlung der Welt (übrigens wenige Jahre nach dem Kyffhäuserdenkmal und ebenfalls noch in der Kaiserzeit entstanden). (Dort sind wir auch schon hingekommen; zum Kyffhäuserdenkmal leider noch nicht).
  • Natürlich gibt es auch in dieser Gegend Gedenkstätten an Verbrechen der Nazizeit, und zwar insbesondere das ehemalige Konzentrationslager Mittelbau-Dora (oder Dora-Mittelbau), wo die KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Lebensbedingungen insbesondere die V1 und die V2 produzieren mussten.
  • In der Nähe liegen der fachwerkschöne Ort Stolberg im Harz (Luftbild; dort haben wir schon einen Urlaub verbracht), die Festung Heldrungen und Sondershausen, einstmals die "Hauptstadt" des Kleinfürstentums Schwarzburg-Sondershausen. (Grundherren für das Gelände des Kyffhäuser-Denkmals waren allerdings die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt*: Komplizierte Kleinstaaterei noch bis 1920. Hier noch eine ältere aber detailreichere Landkarte dazu.)      (In Sondershausen wird übrigens just am Wochenende des Treffens das jährliche Residenzfest veranstaltet.)     ["Rudolstadt" wird manchmal falsch geschrieben; in unserem Zusammenhang z. B. als "Rudolfstadt" oder gar "Rudelstadt".]
  • Seitdem ich schon vor längerer Zeit mal Fotos davon gesehen habe, reizt mich persönlich die (Wasser-)Burg Querfurt (Homepage), lt. Vis-a-Vis-Reiseführer Deutschland "eine der ältesten, größten und am besten erhaltenen Burgen Mitteleuropas". Indes bin ich kein Fluegel-Anhänger (weder von "DerFluegel" noch von anderen Parteiflügeln) und fahre daher nicht zum Kyffhäuser-Treffen.
Die rein praktischen Gründe für die Wahl dieses Tagungsortes sind also durchaus beeindruckend.
Andererseits hat der Kyffhäuser und insbesondere das Kyffhäuserdenkmal einen Symbolcharakter (oder kann man ihm einen solchen beilegen). Insoweit stellt sich für ein größeres Treffen (von Mitgliedern) der Alternative für Deutschland die Frage,
  • wie die Einladenden selber diese Symbolik sehen wollen
  • wie sie die Eingeladenen bzw. die Tagungsbesucher rezipieren
  • wie sie die innerparteilichen Flügelgegner verstehen und ganz besonders
  • ob und wie die Öffentlichkeit, also die Medien und letztlich unsere potentiellen Wähler, reagieren.
Mit einer Reihe von Facebook-Freunden habe ich diese Thematik sehr kontrovers diskutiert. Ein (ausdrücklich oder stillschweigend) ständig wiederkehrendes Argument für die vermeintliche Problemlosigkeit des Symbolwertes des Kyffhäuserdenkmals war, dass er "objektiv" ja gar nicht belastet sei: Dort würden sich keine Rechtsradikalen treffen (was wohl zutrifft), es sei ja bloß ein Touristenort und sogar die SPD plane dort eine Veranstaltung.
Sogar der SPD-Kultusminister Christoph Matschie hob Mitte 2014 anlässlich einer Renovierung "die Wichtigkeit des Kyffhäuserdenkmals als Kulturgut in Thüringen hervor" und "entnazifierte" es gewissermaßen: "Auch wenn das Denkmal früher als Zeichen des nationalistischen Gebarens entstanden ist, gehört es trotzdem zu unserer Geschichte und es ist wichtig, dieses Denkmal zu erhalten." Auch Gelder der EU sind in diese Renovierung geflossen, und der Sinn des Ganzen ist es nicht zuletzt, Besucher (bzw. Touristen) anzulocken: "[SPD-Bürgermeister] Strejic hob hervor, das Kyffhäuserdenkmal ist kein Fluch (wegen der hohen Kosten) sondern ein Segen für die Region. Nach dem Fertigstellen der Sanierungsarbeiten erwartet man jetzt Besucherzahlen von 130.000 bis 150.000 pro Jahr." 1992 wurden dagegen 400.000 Besucher gezählt.

Das ist alles schön und gut, aber einen irgendwie gearteten "objektiven" Symbolgehalt des Kyffhäuserdenkmals, bzw. einer AfD-(Mitglieder-)Versammlung an einem solchen Denkmal gibt es schlicht nicht. Vor allem aber auch keine "objektive" Nicht-Symbolik.
Wie ich oben gezeigt habe, kommt es immer auf die Sichtweise an, und die kann und wird von verschiedener Warte aus sehr unterschiedlich sein. Jeder Gegner der AfD kann und wird die in seinem Sinne interpretieren und, vor allen Dingen, der Öffentlichkeit präsentieren.
Wie auch sonst in der Politik zählt nicht das, was "wirklich" ist, sondern wie das, was ist, wahrgenommen wird.

Das wiederum hängt selbstverständlich wesentlich davon ab, WER dort zusammenkommt (und vorliegend auch, wer dazu eingeladen hat).
Wenn der SPD-Ortsverein Ebeleben in der Gaststätte Burghof einen hebt, wird niemand an Rechtsextremisten denken.
Sollte dagegen eine rechtsextremistische Partei wie beispielsweise die NPD eine bundesweite Versammlung dort abhalten, würde jeder Außenstehende spontan davon ausgehen, dass dieser Ort ganz bewusst wegen seiner Symbolik (bzw. wegen bestimmter Aspekte seiner möglichen Symbolik) ausgewählt wurde. Und diese Tatsache als neuerliche Bestätigung der ohnehin feststehenden Meinung werten, dass die NPD eine nationalistische und rechtsextremistische Partei ist.

Unsere AfD wird von unseren Feinden bekanntlich gleichfalls gerne als mehr oder weniger rechtsaußen stehend verleumdet ("rechtspopulistisch" ist dabei einer der harmloseren Ausdrücke).
Dagegen wenden Parteifreunde (bzw. Facebook-Freunde) ein, dass das sowieso passiert, egal, was die AfD tut. Das ist jedoch ein unzutreffendes Argument.
Um die AfD wirksam negativ zu etikettieren, sind auch unsere Gegner auf einen sachlichen Anknüpfungspunkt angewiesen, der für Unvoreingenommene nicht von vornherein unglaubwürdig wirkt.

Denken wir aus der Sicht unserer Gegner, dann bieten sich die Denkmalsgeschichte ebenso wie der Barbarossa-Bezug dazu an, uns als rechtsaußen zu diskreditieren.
Das umso mehr, als die eingangs zitierte Einladung sogar selber ausdrücklich an die anknüpft:
"Die Kyffhäusersage verkörpert die Hoffnung auf eine gute Zukunft für unser Land. In diesem Sinn wollen wir uns versammeln und welch besseren Ort könnte es dafür geben?"
Die  Kyffhäusersage ist die Sage vom Kaiser Barbarossa. Ursprünglich stammt sie zwar aus dem Mittelalter, jedoch erhielt sie im 19. Jahrhundert aufgrund der Befreiungskriege gegen Napoleon und der Bestrebungen zur Vereinigung der deutschen Staaten eine neue Bedeutung.

Das Kyffhäusergedicht von Friedrich Rückert (1817; bekannt insbesondere als Lied) und die Kyffhäusersage in der Fassung von Ludwig Bechstein (1836) sind auf dieser Webseite nachzulesen (wo man auch viel über das Denkmal und seine Geschichte erfährt).  Beide Texte sind nicht nationalistisch.

"Er hat hinabgenommen / Des Reiches Herrlichkeit, / Und wird einst wiederkommen / Mit ihr zu seiner Zeit"
heißt es im Rückert-Gedicht. Im Jahr 1817 verkörperte das sicherlich keine imperialistischen Phantasien, sondern lediglich den Wunsch nach einer Vereinigung der deutschen Fürstentümer in einem gemeinsamen Staat.

Bechstein schreibt:
"Des Kaisers roter Bart ist durch den Tisch gewachsen und reicht zweimal schon um den Tisch herum. Wenn er aber zum drittenmal herumreicht, dann wird der Kaiser heraufkommen, das Reich wieder behaupten, das Regiment bessern und das gelobte Land mit dem heiligen Grabe den Türken abgewinnen."
Auch das ist - erstmalig 1836 erschienen - nicht imperialistisch oder antiislamistisch zu verstehen, sondern, was die Türken angeht, als historischer Topos (auch wenn zu Barbarossas Zeiten das Heilige Land natürlich noch nicht in türkischer Hand war), und ansonsten gleichfalls als Sehnsucht nach deutscher Einheit ("das Reich wieder behaupten").

Jedoch war der Barbarossa-Mythos (der sich ursprünglich übrigens gar nicht auf Friedrich I. bezog, sondern auf Friedrich II.*, ebenfalls ein Stauferkaiser) im 19. Jh. in vielen Formen verbreitet. Über seine damalige Funktion sind mehrere Bücher erschienen, wohl zuletzt  das von Camilla G. Kaul (2007): "Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser. Bilder eines nationalen Mythos im 19. Jahrhundert" mit über 1.000 Seiten.
*["Der messianische Volksglaube richtet sich zunächst klar auf Friedrich II., auch wenn es ein bisschen durcheinandergeht, wo er sich denn versteckt halte: Mal ist es der Untersberg bei Salzburg, mal Sennheim im Elsass, mal eine Grotte nahe Kaiserslautern - schließlich der Kyffhäuser. Doch dann, vom 15. Jahrhundert an, verdrängt Barbarossa seinen Enkel nach und nach aus der Rolle des kaiserlichen Erlösers" erfahren wir bei Spiegel Geschichte.]
Die Studie von C. Kaul habe ich nicht gelesen, aber in einer Rezension erfährt man, was ohnehin zu vermuten war: Dass sich die Funktion des Barbarossa-Mythos nach 1871 ändert. Nachdem das Reich vereint (oder "wiedererstanden") war, konnte es nur noch um "des Reiches Herrlichkeit" gehen. Tatsächlich erlaubte (und erlaubt eben auch heute noch!) die "Plastizität des Barbarossa-Mythos" eine "Anschlussfähigkeit für höchst unterschiedliche politische Präferenzen"; ab 1871 in dieser Form:
"..... als 1871 der kleindeutsche Nationalstaat tatsächlich mit einem Hohenzollernkaisertum an der Spitze geschaffen worden war, wurde der Mythos vereindeutigt, weil die Behauptung, mit der Gründung von 1871 sei das mittelalterliche Reich wiederaufgerichtet und in Wilhelm I. „Barbablanca“ [Weißbart] sei Barbarossa endlich wiedererstanden, zu dem Legitimationsmythos des neuen Staatsgebildes schlechthin avancierte."

Im Denkmal sind also Kaiser Rotbart (Barbarossa = ital. barba rossa) und Kaiser Weißbart (Wilhelm I.) vereint; daher auch meine Überschrift.

Barbarossa kann für vieles stehen:
  • Den Wunsch nach deutscher Einheit. Nachdem wir die jedoch heute wieder erreicht haben, scheidet dieser Aspekt aus.
  • Den Wunsch nach einem international machtvollen, und vielleicht in Europa herrschenden, Deutschland. Barbarossa war (für seine Zeit normal) ein brutaler Machtmensch. Daran hat noch 1941 ein anderer (noch brutalerer) Machtmensch angeknüpft, als er seinen Angriffskrieg gegen Russland "Unternehmen Barbarossa" nannte. Ich denke und hoffe, dass sich kein AfDler in diese Traditionslinie stellen möchte. Das muss aber natürlich AfD-Hasser nicht daran hindern, uns in den Augen der Öffentlichkeit in diesen Kontext zu rücken.
  • Einen politischen Messias für Deutschland. (Der dann was genau bewirken soll?)
"Spiegel Geschichte" brachte in Heft 4/2010 am 27.07.2010 einen verhältnismäßig ausführlichen Bericht über Barbarossa, den Mythos, die Höhle und das Denkmal: "Kaiser und Messias Barbarossa". Dort erfährt man u. a.:
"..... im Ausland ist Barbarossa herzlich unbeliebt. Denn angesichts ihres Expansionsdrangs wächst auch Abwehr gegen die Deutschen. Damals entsteht das Bild vom "barbarischen, ungezügelten und plumpen Deutschen", die Angst vor dem "furor teutonicus" nimmt Gestalt an. "Wer hat die Deutschen zu Richtern der Nationen bestellt?", erzürnt sich der englische Philosoph Johann von Salisbury, papsttreuer Bischof von Chartres, als Barbarossa 1160 einem Gegenpapst an die Macht verhilft. "Rohe und gewalttätige Menschen" nennt er die Deutschen."
Und:
"Für die Mailänder und den norditalienischen Lombardenbund, die sich mit Unterstützung des Papstes von dem schwäbischen Herrscher freikämpfen wollen, ist Barbarossa ohnehin der hässliche Deutsche. Der Kaiser lässt ihre Auflehnung brutal niedermetzeln."
Dem Volk dürfte insbesondere der messianische Aspekt wichtig gewesen sein:
"Die Sehnsucht nach dem politischen Messias verstärkt sich noch, als mit dem Ende der Staufer das Land in die Wirren des sogenannten Interregnums stürzt - Schiller nannte sie später "die kaiserlose, die schreckliche Zeit". Aus der Verklärung der Vergangenheit erwächst Friedrich fast heilsgeschichtliche Bedeutung. "Die Rettergestalt eines kommenden Friedrichs aus dem Geschlecht der Staufer … bestimmte während des ganzen Mittelalters den Erwartungshorizont breiter Bevölkerungsschichten", sagt der Historiker Klaus Schreiner."
"Sind die Zeiten schlecht, beflügelt das die Hoffnung auf einen Erlöser, etwa als 1347 bis 1352 die große Pest wütet."
Nun ja: Wir befürchten zwar, dass die Zeiten schlechter werden. Weil unsere Regierung unsere Steuergelder lustig an fremde Länder verschleudert, weil sie (im kollusiven Zusammenwirken mit den Karlsruher Verfassungsverhütern) unsere Souveränität an die Eurokraten abgegeben hat, weil ständig wachsende Immiggressorenmassen in Deutschland einfallen und weil die linksgrün versifften Diskursherrscher das Volk und den Volkswillen in vielfältiger Hinsicht unterjochen.
Aber noch ist es ja nicht so weit.
Und wer wäre - oder wer sieht sich ggf. als? - ein deutscher Messias? Ganz abgesehen von möglichen Konflikten zwischen messianischer und demokratischer Herrschaft würde ein solches Konzept kaum in unser (zumindest dem Anspruch nach) rationales Zeitalter passen.

Und natürlich wurde auch der Barbarossa-Mythos im Nationalsozialismus im Sinne eines aggressiven "Großdeutschland" ausgebeutet:
"Akademiker wie der Historiker Richard Suchenwirth, Mitbegründer der NSDAP in Österreich, ..... helfen, die Staufer zu nationalsozialistischen Helden umzudichten. ..... Bei ihm wird nun Hitler zum Erfüller der Sage: ..... Der alte Barbarossa wird bald wiederkehren, wenn das Dritte Reich, Großdeutschland entsteht".

Aus alledem sollte hinreichend deutlich geworden sein, wie problematisch es sein (oder gesehen werden) kann, sich ohne weitere Erläuterung an den (welchen???) Barbarossa-Mythos dranzuhängen.
Wenn das Kyffhäuserdenkmal beispielsweise auf einer Webseite mit dem Namen "Deutsche Schutzgebiete" präsentiert wird, dann ist das natürlich ein anderer Kontext und steckt eine andere Intention dahinter, als bei einem DDR-Film [Den DDR-Bürgern muss es wie blanker Hohn vorgekommen sein, wenn sie dort hörten: "Sollten Sie eines Tages feststellen dass Sie nun alle Urlaubsmöglichkeiten ausprobiert haben, von Acapulco bis Zakopane, auch unsere engere Heimat bietet einige reizvolle Fleckchen."]


Geistig an den Barbarossa-Mythos und örtlich an den Kyffhäuser knüpften nach der Reichsgründung 1871 insbesondere zwei Organisationen (oder, wenn man so will, gesellschaftliche Bewegungen) im wilhelminischen Deutschland an:
  • 1881 schlossen sich etwa 800 Studenten auf dem ersten Kyffhäuserfest zum "Verband der Vereine Deutscher Studenten" (VVDSt) zusammen, der auch Kyffhäuser-Verband (oder Kyffhäuser-Verband der Vereine deutscher Studenten) genannt wurde, und der antisemitisch und völkisch-nationalistisch ausgerichtet war. [Die Studenten errichteten einige Jahre nach dem Bau des Kyffhäuser-Denkmals einen Bismarckturm im Kyffhäuser-Gebirge in den Ruinen der Rothenburg.]
  • Bauherren des Kyffhäuser-Denkmals waren freilich Veteranenvereine (im damaligem Sprachgebrauch "Kriegervereine"), deren Dachverband sogar erst aus dem gemeinsamen Denkmalbau erwuchs und der nach diesem benannt wurde. Dazu die Wikipedia: "Der Kyffhäuserbund e.V. ist ein deutscher Soldatenbund. Er ging im Jahr 1900 aus dem Ständigen Ausschuss der vereinten deutschen Kriegerverbände für die Verwaltung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kyffhäuser hervor und wurde als Dachverband deutscher Kriegervereine gegründet."
Den gibt es noch heute, und ich kann nicht erkennen, dass er heutzutage irgendwie nationalistisch oder gar rechtsextremistisch ausgerichtet wäre (vgl. als Gegenbeweis etwa die Leitsätze).
Das war in früheren Zeiten wohl anders. Im Spiegel-Artikel "Deutscher Charakter
Auf dem Kyffhäuser sprießt neues Leben - gespeist vom alten Denken." vom 29.10.1990 wird berichtet:
"der ..... Kyffhäuserbund zeichnete sich während der Kaiserzeit - als alle deutschen Kriegervereine den Bund schlossen - und in der Weimarer Republik durch "extremen Nationalismus" und "Gesinnungsmilitarismus" aus. Er wurde 1933 sogleich der SA angeschlossen, Kyffhäuser- und Freikorpsführer Wilhelm Reinhard ehrenhalber zum General der Infanterie und SS-Obergruppenführer ernannt."
Allerdings muss man diesen Anschluss an die SA wohl eher als Teil der allgemeinen "Gleichschaltung" von Verbänden und Vereinen in der Nazizeit denn als eine besondere Gunstgewährung sehen. Die Organisation wurde sogar einiger Gliederungen beraubt und 1943 ganz aufgelöst. (Der historischen Abriss auf der Webseite des "Deutscher Soldatenbund Kyffhäuser e.V., Landesverband Rheinland Pfalz" ist sicherlich nicht unparteiisch, aber den Angaben über die organisatorische Entwicklung in der NS-Zeit angegebenen darf man zweifellos trauen.)
Aus welchem Geist heraus der Kyffhäuserbund 1952 wiedergegründet wurde, kann ich nicht beurteilen. Man liest zwar noch für 1992 (oder soll das gar noch für 2013 gelten?) etwas von einem "militaristischen rechtsradikalen Kyffhäuser-Bundes". Indes ist dieser ursprünglich offenbar im Magazin "Freitag" des Salonlinken Jakob Augstein (der mit linksextremistischer Gewalt wenig Probleme hat) erschienene Artikel nicht unbedingt eine vertrauenswürdige Quelle. (Vgl. auch die lupenrein "antifaschistische" Publikationsliste des Autors und Wuppertaler Historikers Stephan Stracke.)
Zutreffend dürfte gleichwohl sein, was Stracke über den bekannten FDP-Politiker Otto Friedrich Wilhelm Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff (uns vertrauter als "Otto Graf Lambsdorff") berichtet:
"Als Ehrengast dieser Veranstaltung zeigte er sich befriedigt, dass die deutschen Werte und Tugenden wieder gepflegt werden – “trotz der Versuche der Nürnberger Richter, das nationale Gedenken zu vernichten.”(TAZ 27.6.1992)".
Ich denke, mit aller Vorsicht kann man jedenfalls soviel sagen, dass der oder Teile des Kyffhäuserbund(es) auch nach dem 2. Weltkrieg noch ein, sagen mir es mal möglichst neutral, "robustes Nationalgefühl" gepflegt haben. Ohne dass das das allerdings als rechtsextremistisch einzustufen wäre. (Selbst der o. a. Spiegel-Artikel von 1990 spricht nur vage vom "alten Denken", nicht etwa von Rechtsradikalismus, Nationalismus oder Militarismus.)

Die Jugendorganisation des Kyffhäuser-Bundes scheint zwar bis in die 60er Jahre weit rechts orientiert gewesen zu sein. Anfang der 60er Jahre griff jedoch die Erwachsenenorganisation durch, schloss die rechtsextreme Führung des Jugendbundes aus und erzwang einen Kurswechsel.
Das lässt aus meiner Sicht auch den Rückschluss zu, dass der Kyffhäuserbund selber nach dem 2. Weltkrieg (bzw. zumindest seit Anfang der 1960er Jahre) fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stand (und steht).


Sehr ausführlich berichtet die Webseite der Kyffhäuser-Kameradschaft (das ist wohl jeweils die unterste Organisationsebene des Kyffhäuserbundes) Berkenthin über die Planungs- und Baugeschichte des Kyffhäuserdenkmals sowie die Einweihungsfeierlichkeiten (hier und Folgeseiten.)
Ebenfalls materialreich, und bis in die heutige Zeit gehend (u. a. wird auch über eine 1939 dort aufgestellte monumentale Hindenburgstatue berichtet) ist die Darstellung auf der privaten Webseite kyffnet. (Dort wird u. a. auch geschildert, wie schon damals Kostenvoranschläge das reine Klopapier waren: Von geschätzt 400.000,- Reichsmark stiegen die tatsächlichen Kosten auf fast 1,5 Mio. RM!)

Besonders anstößige militaristische oder nationalistische Elemente an dem Bauwerk finde ich in diesen Informationen keine. Das Kyffhäuserdenkmal war eben eines (allerdings wohl eines der aufwändigsten) Denkmäler, die sich das kaiserzeitliche Deutschland zur Feier seiner im (2.) Kaiserreich wiedergewonnenen Einheit gesetzt hatte. Nachdem diese Einheit im Rahmen eines Krieges gegen Frankreich (1870/71) errungen worden war, ist ein gewisser martialischer Charakter der damaligen Denkmäler nicht weiter verwunderlich. (Auch Otto von Bismarck ist z. B. auf seinem Bielefelder Denkmal, das auf diesem Foto - heute wohl nicht mehr - noch vor meiner alten "Penne", dem Ratsgymnasium, steht, mit Pickelhaube und Säbel abgebildet.)


Wie oben schon angesprochen ist weiterer Umstand (neben dem organisatorischen Rang des Treffens: Kreisverband, Landesverband oder Bundesebene), der von der gegnerischen Propaganda ausgeschlachtet werden kann,  die Person des (Mit-)Einladenden.
Im vorliegenden Falle also Björn Höcke, thüringischer Landesvorsitzender und AfD-Fraktionsführer. Er ist der informelle Anführer des Fluegels und Mitunterzeichner der Einladung ("Die Erfurter / Björn Höcke"; "Die Erfurter" nimmt Bezug auf die Erfurter Resolution). Höcke wird, wie ich bereits oben besprochen hatte, in der Öffentlichkeit eine gewisse Nähe zur NPD nachgesagt oder angehängt.
Ob zu Recht oder nicht, wird AfD-Feinde wenig kümmern; entscheidend für die wird sein, dass ein gewisses Vor-Urteil bereits in der Welt ist und man an dieses anknüpfen kann, um das Kyffhäuser-Treffen als weiteren Beweis für Rechtslastigkeit zu (miss-)deuten.


Ich vermute zwar, dass die Medien werden voraussichtlich nicht groß von dem Treffen Kenntnis nehmen (es sei denn, dort würden nationalistische Reden geschwungen). Aber Ort und mögliche nationalistische Symbolik werden bei den Meinungsmachern im Hinterkopf bleiben und vermutlich bei anderen Anlässen der AfD, Björn Höcke und/oder dem "Fluegel" immer wieder mal beiläufig auf's Butterbrot geschmiert. (Im Stil von: "Hat damals auch zum Treffen an Kyffhäuserdenkmal eingeladen ..." bzw. "... sind damals am Kyffhäuserdenkmal zusammengekommen" usw.)
Tatsächlich geht das bereits vor dem Treffen los (meine Hervorhebung):
"Auch der hessische AfD-Politiker Lichert gehört dem „Flügel“ an. Nächste Woche trifft sich die AfD-interne Bewegung am Kyffhäuser-Denkmal, einem Symbol für deutschen National-Imperialismus" beschließt Dietmar Neuerer seinen Handesblatt-Artikel "Alternative für Deutschland. AfD-Vorstände suchen Nähe zu rechter Denkfabrik" vom 01.06.2015.
Derartige nadelstichartige Randbemerkungen werden wir in Zukunft immer wieder sehen.

Man hätte versuchen können, dem schon in der Einladung vorzubeugen. Indem man auf die praktischen Vorteile speziell dieses Veranstaltungsortes verwiesen und Bezugnahmen auf den Mythos bzw. das Denkmal heruntergespielt hätte.
Die Frage ist natürlich, inwieweit das von den Medien überhaupt rezipiert wird; dort wird man eher wie ein pawlowscher Hund mit dem Hören bzw. lesen des Begriffs "Kyffhäuserdenkmal" die eingeübte Assoziationskette abspulen.
Trotzdem hätte es nicht sein müssen, dass die Einladung ausdrücklich, aber ohne nähere
Einordnung, auf den Barbarossa-Mythos Bezug nimmt.
Wer als Politiker glaubt, dass er vorhersehbar möglichen Missverständnissen nicht vorbeugen muss, der muss freilich  nicht unverschuldet damit leben, dass die Gegner genau diese Missverständnisse zu seinen Lasten instrumentalisieren.

Wenn er sie nicht sogar eine denkbar "großdeutsche" Interpretation der Kyffhäuser- und Barbarossa-Symbolik billigend in Kauf nimmt oder bewusst benutzt. Weil er weiß oder glaubt, dass sie bei seinen Anhängern ankommt.

Das kann dann freilich weitere innerparteiliche Wirkungen auslösen:
  • Abstoßung von Ängstlichen
  • Anziehung von Radikalen (falsche Freunde).
Wenn so etwas beabsichtigt oder unbeabsichtigt eintritt, dann wäre das die denkbar schlechteste Variante für unsere AfD.


Mit welchem Inhalt können wir uns ein entspannteres Verhältnis zu historisch potentiell schwierigen Stätten, aber auch unserer Geschichte überhaupt, selber erarbeiten und nach außen kommunizieren?

Ein für mich sehr wichtiges Buch, dass ich besaß (vielleicht liegt es in ungeöffneten Umzugskisten auch noch rum) trägt den Titel "I'm OK--You're OK. (Die deutsche Ausgabe kommt mit einer beinahe barocken Titelei daher: "Ich bin o.k. - Du bist o.k.: Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse").
Witziger Weise habe ich es nie gelesen: Der eingängige Titel reichte mir schon, um mich zu beeinflussen.

Ich sehe den Slogan als Aufforderung, uns selbst ebenso zu akzeptieren wie wir die anderen akzeptieren.

Oder, je nach Ausgangslage: Die anderen ebenso zu akzeptieren wie uns selber.

"OK" zu sein, "in Ordnung": Das ist nicht dasselbe wie ein guter Mensch zu sein. Oder, wenn wir das speziell auf unser deutsches Kollektiv und seine nicht immer fleckenlose Geschichte hineindenken, immer ein guter Mensch gewesen zu sein.

Wir müssen uns - als Personen wie als Volk - "annehmen" (wie Christen vielleicht formulieren würden).
Ich sehe keinen Grund, warum wir uns für vergangene Verbrechen SCHULDIG fühlen sollten, oder ggf. Schuldzuweisungen anderer akzeptieren müssten.
ABER: Wir leben im Strom der Geschichte, wir sind unausweichlich die historischen und kulturellen (wie natürlich auch materiellen) Erben unserer Vorgängergenerationen.


Und da gab es halt nicht nur einen Johann Wolfgang von Goethe, sondern auch einen Adolf Hitler.
Wir können diese Art von Erbe nicht ausschlagen, wie man im privaten Bereich ein überschuldetes Erbe ausschlagen kann.
Und es ist auch nicht ÜBER-schuldet - aber es ist mit Hypotheken belastet.
Die müssen wir tragen und abtragen, aber deshalb müssen wir nicht unser Haupt zu beugen und unseren Stolz verlieren.
Ja, ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein.
Warum?
Darum!
Ich brauche keinen Grund dafür, und akzeptiere keinen Begründungszwang. Wer den braucht, der soll sich selber ausdenken, was immer er mag.
Deswegen unterliege ich auch keinem Rechtfertigungszwang, wie er bei Rechten so häufig ist: "Waren es vielleicht doch keine 6 Mio. Juden, die wir ermordet haben?" "War Hitler vielleicht doch nicht (alleine) Schuld am Krieg?".
Das interessiert mich alles nicht; ich kann mit den historischen Einsichten leben, dass Deutschland den Krieg begangen und Millionen Juden ermordet hat.
An meiner grundsätzlich positiven Einstellung zu meinem Vaterland - eben meinem Stolz, ein Deutscher zu sein, ändert das überhaupt nichts.

Aber es ist ein Stolz, der den sozusagen elementaren Stolz, ein Deutscher zu sein nicht verwechselt mit dem Stolz auf alle Aspekte der deutschen Geschichte.
Für den Holocaust an den Juden kann ich mich schämen und ihn betrauern; die Auslösung des 2. Weltkrieges durch unser Land kann ich moralisch verurteilen.
Und dennoch kann ich ein stolzer Deutscher sein.


Mein Stolz tritt den anderen Völkern selbstbewusst, aber nicht überheblich gegenüber.
Eben eine innere Einstellung des "Ich bin o.k. - Du bist o.k.".

Auf diese Weise sollten wir auch mit unseren nationalistischen Denkmälern umgehen, aber auch versuchen, dies immer wieder zu kommunizieren: Diese Denkmäler sind Teil unserer Geschichte, aber für uns sind sie eben nicht mehr mit jener nationalistischen und militaristischen Bedeutung aufgeladen, die sie für vergangene Zeiten (über die wir deswegen nicht aus unserem heutigen Blickwinkel urteilen dürfen!) bei uns (aber entsprechend sicherlich auch bei den anderen europäischen Völkern) hatten.

Wir müssen die Kraft haben, uns nach ALLEN Richtungen abzugrenzen:
Zu den linksversifften Deutschlandhassern ebenso hart und eindeutig, wie zu den ewiggestrigen Rechtsextremen.

Wir sollten uns so aufstellen, wie ich das in etwas anderer Form auch in meinem "ceterum censeo" zum Ausdruck gebracht habe:

Blockis* bluten brave Bürger! Deshalb
Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!

* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD


Nachtrag 05.06.2015
 
Die Linken wühlen bereits: "Barbarossas Geist für die AfD" titelt Rainer Roeser im "Blick nach rechts" vom 04.06.2015.


Nachträge 15.06.2015

DerFluegel hat unter der Überschrift "Ein Fest der Vaterlandsliebe und ein Zeichen der Einigkeit – Kyffhäusertreffen voller Erfolg!" einen Bericht über die Veranstaltung veröffentlicht, die ansonsten anscheinend kein größeres Echo in den Medien fand (und bei der Pressevertreter lt. diesem Bericht - vom "blick nach rechts" - nicht zugelassen wurden).

Ebenfalls auf der Flügel-Webseite ist die Rede von Björn Höcke eingestellt: "Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott!". [Was aber nicht an die Griechen adressiert war! ;-) ]


Nachtrag 18.06.2015
 
Rede von Hans-Thomas Tillschneider auf dem Kyffhäuserfest.

 
Textstand vom 18.06.2015

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