Donnerstag, 28. Juni 2018

Unsystematische Anmerkungen zum vorläufigen Antragsbuch zum AfD-Bundesparteitag in Augsburg

 
Am Samstag, 30.06. und Sonntag, 01.07.2018 wird in Augsburg ein Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) abgehalten. Das vorläufige Antragsbuch dazu ist online und öffentlich.
Ich selber bin kein Delegierter auf dem Parteitag; gleichwohl habe ich das pdf-Dokument (113 S. ohne Rechenschaftsbericht) gelesen und bringe nachfolgend meine Überlegungen dazu zu Papier.TO-SO 10 (Bundesparteitag 2019 für sozialpolitische Debatte):
Erscheint mir nicht nur sinnvoll, sondern sogar unverzichtbar. Wichtig wäre es dabei allerdings, dass die zu diskutierenden Konzepte der verschiedenen Gruppierungen in der Partei FRÜHZEITIG DEN MITGLIEDERN VORGELEGT UND IN DER MITGLIEDSCHAFT DISKUTIERT WERDEN (KÖNNEN)!


TO-SO 11 (Urabstimmung über Bürgerversicherung):
Erscheint mir verfrüht; das wäre ein Vorgriff auf den unter TO-SO 10 beantragten Sonderparteitag.


TO-SO 12 (Detailliertes Procedere zur Ausarbeitung eines Rentenfinanzierungskonzepts):
Gesamtbewertung: Grundsätzlich ist es gegenüber TO-SO 10 sicherlich nicht schlecht, das Prozedere näher zu regeln und schon VOR einem entsprechenden Parteitag. Einige Dinge im Antrag sehe ich allerdings kritisch:
 
- Es fehlt die Bestimmung, dass die Konzepte zu veröffentlichen sind. Die breite Masse der Mitglieder wäre damit von der Debatte ausgeschlossen. Das ist aus meiner Sicht abzulehnen. Daher soll der BuVo alle vorgelegten Konzepte öffentlich ins Internet einstellen.
 
- Der Vorschlag scheint von dem Vertrauen getragen, dass eine hochweise Kommission schon ein optimales Ergebnis aus den eingereichten Vorschlägen herausdestillieren werde. Insoweit bin ich skeptisch: Die Materie ist   a) extrem kompliziert und   b) extrem interessenverseucht. Daher muss aus meiner Sicht der Sonderparteitag eine Auswahl zwischen den Vorschlägen konkurrierender Gruppen haben. Wenn das gewährleistet ist, spricht allerdings nichts dagegen, dass auch eine offizielle Parteikommission versucht, sich auf einen eigenen Vorschlag zu einigen. Dass aus dieser Gruppe dann nichts an die Öffentlichkeit dringt, wäre für mich hinnehmbar. 
 
- "Alle Personen mit einem eigenen Rentenkonzept, oder Ideen dazu, werden aufgefordert, bis zum 01.08.2018 Ihre Ideen und Konzepte beim Bundesvorstand einzureichen."
Der Zeitplan erscheint mir sportlich; eine Verlängerung bis zum 30.09., mindestens aber bis zum 31.08.2018 wäre in meinen Augen sinnvoll.


TO-SO 13 ("Wir haben nicht vor, für Israel zu kämpfen und zu sterben")
Einige Parteifreunde, die durch den Datenschutz geschützt sind und folglich nicht namentlich genannt werden dürfen, meinen offenbar, die AfD mit diesem denkbar überflüssigen Mist kompromittieren zu müssen bzw. zu dürfen. Vorschlag: Nichtbefassungsantrag!



TO-SO 14 ("Wandel des internationalen Systems")  Kann als Tendenz zum Isolationismus interpretiert werden. Dass wir UNSERE Interessen verteidigen und dafür kämpfen, dass wissen wir auch so; dafür brauchen wir keinen Wischiwaschi-Passus im Parteiprogramm, den hinterher jeder nach seinem Gusto auslegt!
Dasselbe gilt auch für TO-SO 15.


TO-SO 16 ("Bündelung gemeinsamer europäischer Interessen")
Klingt gut. Nur kann es auch bei scheinbar gemeinsamen Interessen durchaus Dissens geben, was überhaupt Gegenstand dieser Interessen ist, und mit welchen Mitteln man sie am besten verteidigt. Das sollte zwar aus meiner Sicht eine solche Zusammenarbeit nicht ausschließen - soweit Einigkeit besteht. Aber ich würde das nicht in dieser Form in unser Grundsatzprogramm aufnehmen wollen; eine derartige Regelung birgt die Gefahr in sich, eine Hintertür für die Eurokratenpläne der Brüsseler EUdSSR in unsere AfD zu werden.
Dem scheint zwar der Antrag TO-SO 17 vorzubeugen. Aber zum einen ist der auf ein Gebiet (Außenpolitik) begrenzt und zum anderen steht der aus meiner Sicht in einem gewissen Widerspruch zu Punkt 16.


TO-SO 18 (Stärkung der Rolle der OECD)
"Eine Ausweitung der Kompetenzen der OSZE darf nicht zum Schaden der Souveränität der beteiligten Staaten erfolgen."
Auch das ist ein innerer Widerspruch (wie zwischen Punkt 16 + 17). Entfernt orientiert an dem Spruch von Karl Valentin: "Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.”


TO-SO 19 (Beziehungen zu EWR-Staaten)
Ich bin nicht der Meinung, dass wir unser Grundsatzprogramm mit allen möglichen frommen Vorsätzen bzw. banalen Selbstverständlichkeiten aufladen sollten.


TO-SO 20 (Beziehungen zu GB / Änderung EP und EU-Kommission)
Hier sind zwei ganz verschiedene Bereiche zu einem Punkt verwurstet, was jeden für sich entwertet.
  • Ob GB eine "privilegierte Handelspartnerschaft" überhaupt will, erscheint mir sehr fraglich. Das "Privileg" besteht nämlich u. a. darin, in der EU nicht mitreden zu dürfen, aber an deren Entscheidungen gebunden zu sein.
  • Eine Verkleinerung des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission um derzeitige Posten für GB ist in der Tat eine berechtigte Forderung. Gibt es denn überhaupt Tendenzen, diese auch nach einem Ausscheiden als Posten (für andere Länder) beizubehalten???


TO-SO 23 (Frontex)
Von dieser sehr detaillierten Festlegung würde ich abraten. Deutschlands Interesse an einer Verteidigung der europäischen Außengrenzen ist klar. Aber die Formulierungen implizieren eine dauerhafte Anerkennung des Schengen-Abkommens. Die liegt, wenn die Kontrolle der Außengrenzen nicht funktioniert, nicht im deutschen Interesse.
Und mit Details über deutsche Marineoperationen bei der Seenotrettung sollte sich ein Parteitag nun wirklich nicht abgeben. Zumal eine Rückverschiffung der Migranten nach Libyen möglicher Weise völkerrechtswidrig wäre.



TO-SO 24 (Entwicklungshilfe)
Ist aus meiner Sicht viel zu detailliert; das bläht unser Grundsatzprogramm auf und entwertet es damit letztlich (auch wenn manche Punkte gut und richtig sind).
Zu überlegen wäre eher, ob wir nicht eine Eingliederung des Entwicklungshilfeministeriums in das Außenministerium fordern sollten?



Sachanträge 1 ff (parteinahe Stiftung)
Hier sollten die Delegierten ihre Entscheidungsmacht nutzen, um eine der beiden Stiftungen zu etablieren. Inhaltlich bin ich zu weit weg von diesem Komplex, um mich für bzw. gegen eine der beiden Alternativen zu positionieren.
Aber eine Mitgliederentscheidung darüber, ob wir überhaupt eine parteinahe Stiftung wollen, lehne ich ab. Für mich ist es selbstverständlich, dass auch wir die insoweit zur Verfügung stehenden Mittel nutzen und dadurch "Waffengleichheit" mit unseren politischen Gegnern herstellen.

Und selbstverständlich kann es NUR EINE Stiftung geben; alles andere (SN-3) würde (zu Recht?) den Eindruck erwecken, dass da für bestimmte Personen lukrative Pöstchen geschaffen werden sollen.


BS-13 (Vetorecht der Fachausschüsse)
Aus meiner Sicht absolut inakzeptabel. Ein Programm sollte u. a.   a) möglichst straff und   b) in sich widerspruchsfrei sein. Beides ist nicht gewährleistet, wenn den Einzelinteressen (Fachausschüssen) ein Vetorecht bei der Endfassung zuerkannt wurde.
Nur die volle Letztendscheidungsfreiheit der Bundesprogrammkommission bzw. des von dieser eingesetzten Redaktionsausschusses kann gewährleisten, dass die AfD Programme "aus einem Guss" bekommt.
(Diese Anmerkungen sind auch vor dem Hintergrund suboptimaler Erfahrungen mit dem Programmprozess im LV Bayern für die Landtagswahl zu sehen.)



FBO-1 (Mandatsträgerbeiträge)
Die Erpressung unserer Abgeordneten für höhere Mitgliedsbeiträge lehne ich ab. Ein gewisser Gruppenzwang hat schon bisher zu angemessenen Selbstverpflichtungen geführt.
Guten Lohn für (hoffentlich) gute Arbeit sollten wir auch unseren Mandatsträgern zubilligen.



SGO-1 (Anonyme Veröffentlichung der Schiedsgerichtsurteile)
Finde ich hervorragend - im Prinzip. In der Praxis wäre aber die Anonymität nicht gewährleistet, weil es nur um wenige Fälle geht und Details dieser Fälle soweit öffentlich bekannt sein dürften, dass aus den Urteilsgründen Rückschlüsse auf die "Beschuldigten" möglich sind. Faktisch wäre also die Anonymität nicht zu gewährleisten.


SGO-5 (Vermeidung von Interessenkonflikten des Schiedsgerichts bei Entscheidung über Mitglieder des eigenen LaVo)
Das ist ja wohl das Mindeste, was man in einem Rechtsstaat auch in einer Partei erwarten kann. Das diese Regelung bisher gefehlt hat, ist inakzeptabel. (Und zwar unabhängig davon, dass hier der konkrete "Anstoßfall" natürlich leicht zu identifizieren ist.)
Jedenfalls: Wer DAS ablehnt, setzt sich m. E. dem Verdacht aus, KEINE objektive Entscheidung zu wollen, sondern eine potentiell beeinflussbare von Mitgliedern des eigenen LV.

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Nun, am Ende war die Herausforderung gar nicht so groß, wie ich gedacht hatte. Zu den allermeisten Satzungsfragen habe ich nicht auf Anhieb eine Meinung. Außerdem gibt es sehr viel freien Raum bei sehr vielen Anträgen, und die Begründungen musste ich auch nur bei einzelnen Punkten anschauen.

Hoffen wir nur, dass unsere Delegierten sich zumindest die o. a. Punkte sorgfältig angeschaut haben, damit sie die richtigen Weichen stellen, bzw. eine verfehlte Weichenstellung verhindern.


ceterum censeo 
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 29.06.2018

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