Freitag, 22. Mai 2015

AfD: Rettung aus dem Hinterzimmer?


Nach meiner Einschätzung ist die AfD in ihrer Gestalt als Lucke-Partei Geschichte. Bei mir hat sich die Entfremdung von Prof. Bernd Lucke in drei Stufen vollzogen:


1) Satzungsparteitag in Bremen (30.01. - 01.02.2015).

Grundsätzlich befürworte ich eine Einer-Spitze für unsere Alternative für Deutschland. Aber die Art, wie Lucke vorher seinen Vorstandskollegen eine Zustimmung abgepresst hatte, konnte mich eher weniger überzeugen.

Auf dieser Stufe wurde ich hellhörig.


2) Facebook-Eintrag vom 09.04.2015 bei Prof. Lucke und Rundmail vom 22.04.2015.

Mit diesem Eintrag und einer am 22.04.2015 folgenden Rundmail an alle Parteimitglieder bewarb Lucke den von Ronald Geiger initiierten Mitgliederentscheid. (Kritisch dazu z. B. blu-news vom 13.05.2015.)

Über dessen Zulässigkeit gab es zwei Rechtsgutachten: Eines, das vom Bundesvorstand der AfD bei dem Osnabrücker Prof. Jörn Ipsen in Auftrag gegeben worden war (und auf der AfD-Homepage eingestellt ist), erklärte die Befragung für zulässig. Ipsen ist eigentlich ein renommierter Parteienrechtler, aber dieses Gutachten war nach meiner Einschätzung ein reines Gefälligkeitsgutachten.
Dankenswerter Weise hatte der Landesvorstand der AfD Sachsen ein Gegengutachten bei dem ebenfalls sehr renommierter Speyerer Verwaltungsrechtlicher Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim bestellt. Das erklärte mit überzeugenden Argumenten die Mitgliederbefragung für unzulässig (weil sie ein Vorgriff auf das Parteiprogramm sei und weil die Beschlussfassung über ein solches nach dem Bundesparteiengesetz einem Parteitag vorbehalten sei). Außerdem erklärte Prof. von Arnim, ebenfalls überzeugend, das positive Gutachten von Prof. Ipsen mehr oder weniger für unprofessionell.
Wohl auf dieser Grundlage gab das Bundesschiedsgericht der AfD einem Antrag des LV Niedersachsen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt und stoppte diesen Mitgliederentscheid. (Die Information wurde erstmalig anscheinend vom - noch - Mit-Sprecher des Bundesvorstand Konrad Adam auf seiner Facebook-Seite publik gemacht; s. a. hier und dort).
(Beiläufig: Faktisch ist mit dieser einstweiligen Anordnung des Schiedsgerichts auch eine wenig später von Prof. Lothar Maier und Karl Friedrich Hotz quasi als Gegenentwurf eingeleitete Initiative vom Tisch.)

In seinem Facebook-Eintrag schrieb Prof. Lucke (meine Hervorhebungen):
"..... die AfD ist eine Partei mit einer lebhaften Diskussionskultur. Das ist gut so, aber es ist nicht gut, wenn eine Resolution die andere jagt und sich mit irgendwie gesammelten Unterschriften zu übertreffen versucht. Wir sollten dies schnellstmöglich beenden und wenn der jetzt vorgeschlagene Mitgliederentscheid dazu beitragen kann, würde mich das sehr freuen. Dies ist eines der satzungsmäßig vorgeschriebenen Instrumente, das der Parteibasis Gehör verschaffen soll und insofern sollten wir es alle begrüßen, wenn davon Gebrauch gemacht wird. Den Programmentscheidungen der Partei darf damit natürlich nicht vorgegriffen werden. Der jetzt vorgeschlagene Mitgliederentscheid betont jedoch statt dessen die Entscheidungen, die wir gemeinsam in unseren bisherigen Beschlüssen, Programmen und in den politischen Leitlinien getroffen haben."

In der Rundmail vom 22.04. hieß es (meine Hervorhebungen):
"Da der Spendeneingang insgesamt nicht für die Finanzierung eines Mitgliederparteitags im Juni ausreicht, wird das Geld teilweise ..... für direktdemokratische Instrumente der Mitgliederbeteiligung eingesetzt werden. Hier ist insbesondere ein Mitgliederentscheid zu nennen, zu dem Sie in den nächsten Tagen die erforderlichen Unterlagen erhalten werden. Der sog. 'Richtungs-Mitgliedersentscheid' [sic!] hat das nötige Quorum an Unterschriften erreicht und erfüllt die von der Satzung vorgeschriebenen Anforderungen. Den Text des Entscheids können Sie hier einsehen. Die Zulässigkeit des Mitgliederentscheids wird durch ein Gutachten des renommierten Parteienrechtlers Prof. Ipsen bestätigt, das Sie hier finden. Ich möchte Sie schon jetzt dringend bitten, dem Mitgliederentscheid zuzustimmen. Es gibt beunruhigende Entwicklungen in der Partei, die sich einerseits in verschiedenen Resolutionen, andererseits aber auch in dem m. E. völlig verantwortungslosen Sturz des hessischen Landesvorstands am vergangenen Wochenende ausdrücken. Diesen Geschehnissen liegen Versuche zugrunde, die politischen Inhalte der AfD und ihren Politikstil in eine Richtung zu verschieben, vor der ich nur warnen kann. Der Text des Mitgliederentscheids gibt darauf die richtige Antwort. Er bekräftigt Positionen, die wir in früheren Programmen beschlossen haben, er spricht sich für einen sachlichen und konstruktiven Politikstil aus und er zieht eine klare Grenze zu politischen Strömungen wie der sog. Neuen Rechten und der identitären Bewegung. Dies ist nötig, denn es ist verstärkt festzustellen, dass Vertreter dieser Richtungen Einfluss auf Teile der AfD gewinnen wollen."

Die Behauptung, dass der Geiger-Entscheid einer Programmentscheidung der AfD nicht vorgegriffen hätte (und nicht vorgreifen wollte), kann man getrost ins Reich der Märchen verweisen. Dazu hatte ich am 23.04.2015 bereits bei Facebook gepostet (Text auch hier).
Eine ausführlich auf die einzelnen Punkte eingehende Kritik kam aus Niedersachsen von Holger Pieters und Jens Wilharm (auf der Webseite der informellen innerparteilichen Interessengemeinschaft "Initiative bürgerliche AfD).

Dass der von Ronald Geiger vorgeschlagenen und von Prof. Bernd Lucke massiv unterstützten Mitgliederentscheid in Wahrheit sehr wohl ein Vorgriff auf die programmatische Festlegung unserer politischen Ausrichtung beabsichtigte (und somit nach meinem Verständnis der Versuch einer Programmpiraterie oder eines Programmputsches war) ergibt sich bereits aus der Begründung, die Ronald Geiger für seinen Antrag liefert (und die alle Behauptungen Lügen strafen, dass es lediglich um eine Bekräftigung bereits früher getroffener Festlegungen gehe) (meine Hervorhebungen):
"... zwei Jahre nach ihrer Gründung braucht die AfD eine Richtungsentscheidung. Die beiden vor kurzem versendeten Resolutionen (Erfurter und Deutschland-Resolution) waren eine weitere Runde im Kampf um die Grundausrichtung der Partei. ..... Jetzt sind wir Mitglieder gefordert, endlich den von Beginn an schwelenden ..... Streit zu entscheiden. Dies kann demokratisch nur über eine Festlegung in den wesentlichen strittigen Positionen erfolgen."
Luckes Facebook-Eintrag vom 09.04.2015 kann ich vor dem Hintergrund einer Rundmail, die er noch am 04.04.2015 verschickt hatte, nur als dreist empfinden. Darin hieß es nämlich (meine Hervorhebungen):
"Diese inhaltliche Arbeit wird zur Zeit in unseren Fachausschüssen und Programmkommissionen geleistet - und dort gehört sie auch hin. Bis November wollen wir die Grundlage für unser erstes, breites Parteiprogramm geschaffen haben. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, aber wir sind auf gutem Weg. Nichts wäre unangemessener als die Arbeit unserer Gremien dadurch zu stören, dass irgendwelche Gruppen neue Positionen der AfD außerhalb unserer Programmprozessstruktur schaffen wollen. Statt inhaltliche Vorfestlegungen zu betreiben, sollten wir uns lieber vergegenwärtigen und bekräftigen, was wir bereits beschlossen haben und was gute und bewährte Politik der AfD ist. Wer einseitig und ohne Beschluss der Parteigremien davon abrücken will, handelt undemokratisch und gefährdet die Einheit der Partei. Bitte beteiligen Sie sich deshalb alle an den programmatischen Debatten in der Partei und entscheiden Sie mit!"

Dreist war diese Positionierung Luckes zu Gunsten eines (seines) Flügels auch deshalb, weil er in einer Rundmail vom 21.03.2015 geschrieben hatte:
"Ich möchte sehr deutlich sagen, dass Flügelkämpfe das letzte sind, was die AfD braucht."Denn selbstverständlich IST die Geiger-Initiative eindeutig selber ein Teil dieser Flügelkämpfe.

Auf dieser Stufe war ich heftig irritiert über Luckes Vorgehen.


3) Gründung des Vereins "Weckruf 2015"

Mit Rundmail vom 18.05.2015 an die AfD-Mitglieder teilte Prof. Lucke die Gründung des Vereins "Weckruf 2015" (Homepage) mit. Die Behauptung
"Insbesondere ist es ..... das Ziel des Weckrufs 2015, verunsicherte und eventuell austrittswillige Mitglieder in der Partei zu halten"
halte nicht nur ich für wenig glaubhaft. Dieser sozusagen Verein innerhalb der Partei ist in den Augen vieler (und auch in meinen Augen) die Vorbereitung einer Parteiabspaltung und Parteineugründung von Prof. Lucke und seines Flügels für den Fall, dass er sich selber und seine eigenen personellen Vorstellungen für den BuVo bei der Neuwahl des Bundesvorstands auf dem Kasseler (Delegierten-)Parteitag am 13./14.06.2015 nicht durchsetzen kann.

Dieses geradezu desperate (und juristisch höchst zweifelhafte) Vabanquespiel hat meinem Vertrauen in Prof. Bernd Lucke den Todesstoß versetzt. Zwar zögerlich und höchst ungern habe ich mich nun doch von der Vorstellung verabschiedet, dass die AfD weiterhin unter Luckes Führung existieren kann.

Auch wenn ich mich nach wie vor inhaltlich nicht kurzerhand voll auf die Seite seiner Gegner stellen möchte sehe ich keine Chancen mehr, dass die AfD unter Lucke befriedet werden kann. Selbst wenn er (woran ich nicht glaube) auf dem Parteitag in Kassel noch einmal gewinnen und nicht nur selber zum 1. Bundesvorsitzenden gewählt werden sollte, sondern sogar seine weiteren Personalvorstellungen durchdrücken könnte, würde das die innerparteilichen Auseinandersetzungen nicht beenden, sondern im Gegenteil erst richtig auflodern lassen.


Hinterzimmer:

Auf dem Kasseler Parteitag steht in der Tat zugleich mit der Personalentscheidungen eine Richtungsentscheidung an.
Und hier kommt in meinen Vorstellungen das Hinterzimmer ins Spiel.

Wer immer glauben machen will, die Delegierten sollten bzw. würden völlig frei von Vorbeeinflussungen zu diesem Bundesparteitag hinfahren und einfach die (vermeintlich) Besten wählen, ist entweder naiv oder versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Auch wenn sich meine eigene Teilnahme am Parteilieben vorwiegend auf Debatten bei Facebook und Veröffentlichungen hier in meinem AfD-Blog beschränkt ist mir klar, dass in den (heutzutage wohl hauptsächlich elektronischen) "Hinterzimmern" der Partei die Köpfe rauchen.
Meine Hoffnung bzw. meine Sorge ist, dass man die dort ausgebrüteten Personaltableaus für den Bundesvorstand, (nicht) "in der Pfeife rauchen" kann.

Die Hinterzimmer werden naturgemäß größtenteils flügelintern sein. Folglich wird man dort darauf sinnen, wie man seine eigenen Leute an die Spitze bringt.
Aus meiner Sicht wäre es jedoch katastrophal, wenn ein Flügel (oder gar die Anhängerschaft einer bestimmten Person) den Bundesvorstand mit ihren Leuten besetzen würden (wobei ich "besetzen" durchaus auch im Sinne von "okkupieren" meine.)

Auch in der Zeit nach Lucke darf es keinen Durchmarsch einer Richtung innerhalb der Partei geben.
Ich wünsche allen Strippenziehern, und ebenso allen potentiellen Vorstandskandidaten genügend Weisheit, um die Notwendigkeit eines Ausgleichs einzusehen und schon im Vorfeld darauf hinzuwirken.

Frauke Petry hat als weiteren (gedacht vermutlich zweiten) Vorsitzenden Prof. Joachim Starbatty ins Spiel gebracht. Ich weiß natürlich nicht, ob
a) sie das ernst gemeint hat und
b) Prof. Starbatty sich überhaupt für einen Gemeinschaftsvorstand mit Frauke Petry zur Verfügung stellen würde.
Es wäre aber aus meiner Sicht eine ausgezeichnete Lösung, um dem wirtschaftsliberalen Flügel das Gefühl zu geben, dass die sog. "Nationalkonservativen" ihn nicht aus der Partei herausdrängen wollen.
Sicher werden sich auf der "konservativen" Seite viele daran stören, dass Prof. Starbatty im Grundsatz das geplante Freihandelskommen TTIP zwischen Europa und den USA befürwortet, dass er zu den Erstunterzeichnern des Weckrufs 2015 gehört und dass er fest an der Seite von Bernd Lucke steht.
Aber das macht ja gerade einen personellen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Flügeln aus, dass sie bereit sind, auch der Gegenseite (und damit zugleich der Gegenmeinung) personelle Zugeständnisse zu machen.
Ich kann also nur hoffen, dass es zu dieser Lösung kommt - oder zu einer anderen, die ebenfalls die Wirtschaftsliberalen einbindet (die nach meiner Einschätzung zumindest bei einem Delegiertenparteitag eher in der Minderheit sein werden).

Neben einem Flügelausgleich halte ich einen Verzicht auf die Wahl von stark kontroversen Personen in den BuVo für unverzichtbar. Damit meine ich spezifisch
  • Marcus Pretzell. P. dürfte innerparteilich aus verschiedenen Gründen umstritten sein (nicht gerade professioneller Umgang mit seinen Steuerrückständen; Querelen in dem von ihm geleiteten LV NRW; laienhafte Vorstellungen zum Geldsystem - "Wir müssen über das Schuldgeldsystem reden" - usw.).
  • Björn Höcke. H. ist nicht nur innerparteilich eine Reizfigur für die "Liberalen", sondern würde höchstwahrscheinlich auch zahlreiche Wähler abschrecken, weil er es unseren Gegnern allzu leicht gemacht hat, ihn in einen engen Assoziationszusammenhang mit der NPD, also mit Rechtsextremen, zu bringen.
Die aus meiner Sicht heilsamen Resultate für die personelle Zusammensetzung des Bundesvorstands unserer Alternative für Deutschland, nämlich der Flügelausgleich und das Fernhalten stark umstrittener Figuren, sind m. E. dann nicht zu erwarten, wenn die große Mehrheit der Delegierten unvorbereitet und ungeleitet zum Bundesparteitag stolpert.
So etwas muss vorher vorbereitet werden - eben in den Hinterzimmern.

Ob die dortigen Verhandlungen den Schaden heftiger Flügelkämpfe bringen, oder den Segen belastbarer Kompromisse, vermag ich selber schon deshalb nicht abzuschätzen, weil ich als einfaches Parteimitglied selber nicht in irgend einem "Hinterzimmer" sitze.

Mir bleibt also nur die Möglichkeit an alle, die dort mitmischen, dringend zu appellieren:
Seid euch bewusst, Parteifreunde, dass die Verantwortung für die gedeihliche Zukunft einer Nach-Lucke-AfD eine ungeheure Last auf eure Schultern legt!

Und das nicht nur, und nicht einmal in erster Linie, für unsere AfD.
Sondern dafür, wofür wir stehen: Eine Alternative für unser Land zu sein.
Dies ist für lange Zeit die letzte Chance, das Ruder noch herumzureißen oder doch zumindest den Steuerleuten der Blockparteien als drohender Schatten im Nacken zu sitzen.
Wenn wir das versaubeuteln bzw. genauer: Wenn IHR das vergeigt, dann gute Nacht Deutschland.
Deshalb meine nachdrückliche Aufforderung an alle diejenigen unter euch, die sozusagen "im Auge des Zyklons" agieren:

Treibt keine POLITIK in euren Hinterzimmern:
Zeigt Größe, die GESCHICHTE schreibt!




ceterum censeo

Blockis* bluten brave Bürger!
Deshalb Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!

* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD
Textstand vom 22.05.2015

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